der sozialdemokrat als öffentliche belästigung VON WIGLAF DROSTE
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Es gibt Momente, in denen Krieg ganz vernünftig scheint – beim Betrachten sozialdemokratischer Architektur beispielsweise. Da schimmert der Krieg dann auf als großer Architekt, als wünschenswerte Abrissbirne. Berufsverbote gegen Post austragende DKPisten waren unsinnig; wenn aber ein Sozialdemokrat keine Sünden wider die menschliche Behausung begehen könnte, wäre das klug. Denn Sozialdemokratie bedeutet Architektur als Strafe.

Aber was könnte man Sozialdemokraten tun lassen? Wie kann man sie sinnvoll beschäftigen? Publizistische und politische Tätigkeiten sind nicht geeignet, da gehen Kitsch und Konformismus gleich Hand in Hand. „Krieg? Wir sagen nein!“, beteuert die Berliner Programmzeitung tip, als habe das etwas zu bedeuten, und stellt anschließend eine Frage, deren einziger Sinn es ist, alles über den geistigen Zuschnitt des Fragestellers zu verraten: „Wie cool ist Frieden?“

Antworten wir mit einer Gegenfrage: Wie blöd ist Sozialdemokratie? Gibt es eine untere Grenze? Und falls ja – wieso gelingt es dem Sozialdemokraten und tip-Chefredakteur Karl Hermann immer wieder, sie zu unterschreiten? Sozialdemokratische Publizistik geht so: Befürwortet eine sozialdemokratisch geführte Regierung einen Krieg, werden Kriegsgegner denunziert; ist die Regierung nicht oder noch nicht zum Krieg entschlossen, ist man auch für den Frieden und haut sich für diesen mitläuferischen Akt kräftig selber auf die Schulter.

Die Denunziation liegt gerade 13 Monate zurück. Sie wurde anonym im tip veröffentlicht, ihr Autor war Karl Hermann: „Eine der schlimmen Folgen des 11. September ist Roger Willemsen. Seit dem Krieg in Afghanistan jammert dieses islamische Klageweib auf jeder Seite, die ihm verantwortungslose Journalisten hinhalten. Ob in der taz oder in der blutleeren Woche: Der Pontifex Pazifus ist nicht zu bremsen. Da greint und grummelt er, schwätzt und nölt, ohne auch nur einen Funken Verstand vorzutäuschen. Der 11. September habe ‚den Terror des Amüsements unterbrochen‘, fügte der Talkmaster ausgerechnet in einer Talkshow an. Richtig, Roger, halt einfach die Fresse!“

So spricht der Friedensfreund, wenn er sich traut. Nach dem anonym herumduzenden Papi darf sich auch Mutti Grün an Roger Willemsen vergehen. Claudia Roth, inzwischen mit viel Tagesfreizeit versehen, berichtet im jüngsten tip: „Momentan macht es mir sehr viel Spaß, in meinem Charlottenburger Kiez in einem netten Café unweit des Stuttgarter Platzes zu sitzen und von hier aus mit Roger Willemsen auf ‚Deutschlandreise‘ zu gehen. In einer wunderbaren Sprache beschreibt der Autor kleine, einfache und alltägliche Szenen.“

Niemand verkörpert die Koalition von SPD und Grünen so gültig wie Karl Hermann und Claudia Roth. Können die beiden nicht heiraten, privatisieren und nie wieder den Namen eines intelligenten Menschen in den Mund nehmen, sondern immer nur noch ihre eigenen? Sie haben sich wechselseitig auch in dieser Höhe verdient, und die Öffentlichkeit hätte zwei Lasten weniger zu tragen.