Weniger Fische auf dem Teller

Fangquoten für Hering und Dorsch in der Ostsee werden gesenkt. EU-Minister folgen erstmals in Ansätzen wissenschaftlichen Empfehlungen. Naturschützer halten die Mengen dennoch für zu hoch

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der Beschluss sei zwar „eine verdammt bittere Pille für die Fischer“, räumt Karoline Schacht ein, für die Erholung der Heringsbestände aber sei er dennoch „nicht ausreichend“. Letztlich hätten die Fischereiminister der EU „zum wiederholten Male die Empfehlungen der Wissenschaft zugunsten kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen ignoriert“, kritisierte die Meeresexpertin der Umweltschutzorganisation WWF die neuen Fangquoten für die Ostsee für das Jahr 2009.

Bei einem Treffen in Luxemburg hatten sich die zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten in der Nacht zu Dienstag auf eine Senkung der Fangquoten in der westlichen Ostsee verständigt. Sie kürzten die Quote für Hering um 39 Prozent. Die neue Gesamtfangmenge wird nach einem komplizierten Schlüssel aufgeteilt auf Deutschland, Dänemark, Schweden und Polen.

Während die Fischer in der westlichen Ostsee in diesem Jahr noch 44.550 Tonnen Hering fangen durften, sind im kommenden Jahr nur noch 25.839 Tonnen möglich, davon entfallen 14.993 Tonnen auf die deutsche Fischerei. Damit wurde die Fangquote zwar gesenkt, dennoch blieben die Minister weit hinter dem Vorschlag der EU-Kommission zurück. Der maltesische Fischerei-Kommissar Joe Borg hatte zum Schutz des Herings eine Senkung um 63 Prozent gefordert.

Beim Dorsch folgte die Ministerrunde den Vorschlägen der EU-Kommission. Sie setzte die Quote für den östlichen Teil der Ostsee um 15 Prozent herauf, weil sich die Bestände dort erholt hätten. Für die westliche Ostsee wurde die Menge hingegen um 15 Prozent gesenkt.

Damit befolgten die Minister erstmals ansatzweise die Empfehlungen von Wissenschaftlern. „Alles unter 30 Prozent Absenkung wäre sinnlos“, hatte im Vorfeld der stellvertretende Leiter des Rostocker Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, gesagt. Bereits seit fünf Jahren sei festzustellen, dass der Heringsnachwuchs Jahr für Jahr um ein Drittel bis die Hälfte zurückgehe. „Wir tappen über die Ursachen im Dunkeln“, räumte Zimmermann ein. Klar sei aber: „Es ändert sich was im Ökosystem.“

Von einem „schmerzhaften Einschnitt“ sprach erwartungsgemäß der Verband der deutschen Kutter- und Küstenfischer in Hamburg. „Arbeitsplatzverluste in unbekannter Höhe“ in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sagte Verbandsgeschäftsführer Peter Breckling voraus. Eine Senkung um 20 statt 39 Prozent beim Hering wäre akzeptabel gewesen. Für die Dorschfischerei sei die Reduzierung um 84 Tonnen auf 7.560 Tonnen „keine wesentliche Änderung“. Die positive Entwicklung des Bestandes zeige, dass bisherige Forderungen von Naturschützern nach einem Fangstopp „völlig überzogen“ gewesen seien, fand Breckling.

Das Hamburger Büro der schwedischen Umweltstiftung „Baltic Sea 2020“ begrüßte hingegen, dass die Agrarminister beim Dorsch erstmals den Vorschlägen der Kommission sowie einem Mehrjahres-Plan gefolgt sind. Dies sei ein Teilerfolg, sagte Programmdirektorin Katarina Veem: „Die Missachtung wissenschaftlicher Warnungen hatte die Dorschbestände an den Rand des Kollapses gebracht.“

Der Rettungsplan für den Dorsch sei erfreulich, befand auch WWF-Expertin Schacht. Dennoch sei es gefährlich, beim ersten Anzeichen einer Erholung die Fangmenge wieder zu erhöhen: „Der Dorsch braucht womöglich eine längere Schonfrist.“ Wenn man konsequent auf Erholung setze, rechnete Schacht vor, könnten die Fischer deutlich mehr verdienen. Bei einem gesunden Dorschbestand könnten sie „Jahr für Jahr etwa 160.000 Tonnen fangen – fast dreimal mehr als derzeit erlaubt“.

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