Protestanten protestieren

Der Protest gegen die Kürzungen für Kinder- und Jugendarbeit auf der Straße bekommt Unterstützung von oben: Vor allem evangelische Geistliche fordern zur Volksinitiative auf

VON NATALIE WIESMANN

Der Protest gegen die gravierenden Kürzungen des Landes in der Kinder- und Jugendarbeit nimmt religiöse Ausmaße an: Nicht nur das Personal und die BesucherInnen der betroffenen Einrichtungen gehen auf die Straße. In der Kirche rufen Pfarrer dazu auf, sich an der Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft“ zu beteiligen. In einigen Gemeinden warten JugendreferentInnen nach dem Gottesdienst vor der Tür und karren die Unterschriftswilligen zu den Bürgerbüros.

Eine solch direkte Politisierung seitens der Kirchen ist ziemlich einmalig, bestätigt Landesjugendpfarrer Udo Bußmann. „Die Situation ist ja auch ziemlich einmalig“, sagt er. Es sei „kein politischer Stil“ seitens der Landesregierung, Abmachungen einseitig zu kündigen, schimpft er. Immerhin habe das Land auch Verpflichtungen gegenüber der Jugend, für die sie sich offiziell einsetzt. Dazu gehöre der Schutz der Jugend, sie stark zu machen gegen Drogenkonsum zum Beispiel. Solche Arbeit würde von den offenen Trägern geleistet.

Während die evangelischen Geistlichen flächendeckend aufrufen, ist der Protest der katholischen Kirche zurückhaltend. Zwar hat der Bischof von Münster in seiner Silvesteransprache die Kürzungen des Landes kritisiert, aber „ein Gotteshaus sei nicht dazu da, Politik zu machen“, so der Pressesprecher des Bistums Münster.

Es kann jedoch einen weiteren Grund geben für die katholische Kirche, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Auch die Landesgelder für die katholischen Schulen und Kindergärten sind gefährdet und die Kirche hat womöglich Angst, es sich durch politische Agitation mit der Landesregierung zu verscherzen. Die Kürzungen in dem Bereich treffen die Katholiken eher als die Protestanten, weil sie beispielsweise weit mehr Ersatzschulen haben. Diese Vermutung will Norbert Hubweber, Mitinitiator der landesweiten Volksinitiative und Geschäftsführer der katholischen LAG für offene Kinder und Jugendarbeit zwar nicht bestätigen. Er weiß aber, dass die Spitze keine Kontrolle darüber hat, wie die einzelnen Priester während des Gottesdienstes agitieren. „Die Kirche ist natürlich auch ein politischer Ort“, findet er.

Einer der sich nicht zurückhält, ist Ordensbruder Anno Müller von den Amigonianern in Gelsenkirchen. „Wir haben gestern vier Leute direkt von der Messe mit einem Kleinbus zur Unterschriftenstelle gebracht“, so Bruder Arno Müller. Er selbst leitet einen offenen Jugendtreff, der durch die Kürzungen gefährdet ist. Insgesamt müssen für die Volksinitiative bis zum 27.Januar 66.000 Stimmen in NRW gesammelt werden, etwa die Hälfte ist erreicht. Aktionen im neuen Jahr sollen die restlichen Stimmen zusammenbringen. Wenn genug Bürger unterschreiben, muss sich die Landesregierung mit der langfristigen Absicherung der Kinder und Jugendarbeit zumindest beschäftigen.