Profitmachen zum Nachteil der Stadt

Die Forderung des Kölner IHK-Präsidenten, Teile der Kölner Stadtwerke zu verkaufen, hat die Privatisierungsdebatte in Köln neu entfacht. Trotz Kritik wird am Schluss die Koalition seine Idee aufgreifen, befürchet Claus Ludwig vom Kölner Sozialforum

Interview Susanne Gannott

taz: Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK), Alfred von Oppenheim, hat mit seiner Forderung, Teile der Stadtwerke zu privatisieren, für Wirbel gesorgt. Was lesen Sie aus der Rede?

Claus Ludwig: Das ist ein propagandistischer Vorstoß um zu zeigen, dass die IHK zu den konsequentesten Privatisierern gehört. Aber dahinter stecken auch reale Interessen: Große Teile des Arbeitgeberlagers in Deutschland wollen letztendlich, dass sich der Staat aus der Daseinsfürsorge zurückzieht. Sie möchten selber mit solchen Leistungen Geld verdienen anstatt sie über Steuern zu bezahlen.

Warum eigentlich soll die Stadt Wohnungen besitzen, Verkehrsbetriebe oder Kliniken?

Weil jeder privatisierte Betrieb den Marktprinzipien untergeordnet wird, das heißt konkret: Er soll Profite abwerfen. Privatisierung führt daher tendenziell zu beschleunigtem Personalabbau und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigen, vor allem bei der Bezahlung. Für die Nutzer verschlechtert sich das Angebot, weil es teurer wird und Leistungen, die sich nicht lohnen, eingeschränkt werden. Das ist ja auch logisch, denn nur weil etwas in Privatbesitz ist, wird es nicht effektiver organisiert: das mit dem Bürokratieabbau, Innovationen, besseren Ideen ist eine Legende!

Oppenheims Forderungen gehen offenbar sogar der CDU zu weit, die letztes Jahr noch die GAG-Wohnungen verscherbeln wollte. Ein Sinneswandel – oder bloße Wahltaktik?

Wir haben das Kommunalwahljahr und die CDU muss auch auf Teile der Bevölkerung Rücksicht nehmen, deren Stimmen sie braucht. Zweitens – aber das ist etwas spekulativ – weiß natürlich auch Schramma, dass Privatisierungen den städtischen Haushalt nicht wirklich sanieren. Und dass es unter Umständen auch direkte Nachteile für den Stadthaushalt gibt, wenn Firmen, die bisher Überschuss erwirtschaften, abgestoßen werden – oder Teile davon.

Die letzten Kölner Privatisierungen, GAG-Wohnungen, Radio Köln, sind geplatzt...

Aber eine ist auf den Weg gebracht worden: Die Privatisierung der städtischen Kliniken. Die sind in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt worden , die immer noch der Stadt gehört. Der Zweck: So werden die nächsten Privatisierungsschritte einfacher. Außerdem sind dadurch schon jetzt die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer eingeschränkt worden. Diese Aktion ist relativ still über die Bühne gegangen. Jetzt muss man abwarten, ob aus der Rechtsformänderung konkret etwas folgt: Beschäftigte dort fürchten schon länger eine Ausgliederung und Privatisierung der Zentralsterilisation oder von Laboren.

Nicht nur die Kliniken auch andere Teile der Stadtwerke sind de facto schon privatisiert – durch Umwandlung etwa in Aktiengesellschaften wie bei der GEW. Was bedeutet das?

Es bedeutet, dass – obwohl die Betriebe formal noch der Stadt gehören – der Profit in den Forderung rückt.

Hinzu kommt: Bei der Umwandlung wird die demokratische Kontrolle beschnitten. Zwar ist es nicht so, dass die städtischen Betriebe alle von oben bis unten demokratisch von der Bevölkerung und den Beschäftigten kontrolliert würden – wie es wünschenswert wäre. Aber trotzdem hat die Stadt natürlich noch Einflussmöglichkeiten. Bei einer privaten Rechtsform haben dagegen nur noch die Gesellschafter oder Aktionäre Einfluss. Und – was gerade in Köln eine pikante Sache ist – auch die Möglichkeiten der Korruptionskontrolle werden eingeschränkt: Davor hat sogar schon das Kölner Rechnungsprüfungsamt gewarnt. Denn Rechnungsprüfung wie beim öffentlichen Dienst ist dann nicht mehr möglich wegen des „Geschäftsgeheimnisses“.

Fürchten Sie, dass es weitere Privatisierungen in Köln gibt?

Auf dem Prüfstand steht eigentlich alles. Die Privatisierung der Märkte ist wohl vorläufig vom Tisch. Aber die Messe steht auf jeden Fall an, zumindest Teile davon. Allerdings ist da noch nichts beschlossen. Und vor der Kommunalwahl wird man sich vielleicht doch lieber zurückhalten, eine größere Privatisierung durchzuziehen.

Letzten Endes ist es aber so, dass die Wünsche der IHK, auch wenn man sich zu Beginn beschwert, bislang immer Eingang gefunden haben in die Koalitionsprogramme des Rates.