Wem die Schulstunde schlägt

Die 120 freien Schulen klagen über weitere Finanzkürzungen des rot-roten Senats. Der Grund: Arbeitszeiterhöhungen an staatlichen Schulen würden einfach auch bei den Freien zugrunde gelegt – obwohl das Parlament noch 2002 anders entschied

VON MAREN BEKKER

Manfred Hermann und seine Kollegen sind Pädagogen. Es ist ihr Job, Sachverhalte in tafelbildtaugliche Formeln zu pressen: „2 Prozent + 2 Prozent + x“ ist eine solche, und sie drückt knapp aus, was der evangelische Kirchenschulrat Hermann gestern anprangerte: „Eine Zumutung“ nennt er die erneuten Zuschusskürzungen des Senats bei den 120 Schulen in freier Trägerschaft – zu denen neben jüdischen und christlichen auch die Waldorfschulen gehören.

Um jeweils 2 Prozent sind die Landeszuschüsse nämlich bereits in den beiden letzten Jahren gekürzt worden – 2003 erhielten freie Schulen nur noch 93 Prozent der vergleichbaren Personalkosten öffentlicher Schulen. Damit nicht genug: Durch die vom rot-roten Senat beschlossenen Arbeitszeiterhöhungen für Lehrer im staatlichen Dienst und damit verbundene Personaleinsparungen werden die Zuschüsse für die freien Schulen 2004 um bis zu 10 Prozent sinken. „Obwohl die erhöhte Stundenzahl an den öffentlichen Schulen noch gar nicht ganz umgesetzt wurde, ist sie uns im vollen Umfang zugrunde gelegt worden“, ärgert sich Hermann.

Zwar habe das Abgeordnetenhaus 2002 beschlossen, die freien Schulen nicht weiter zu belasten – dennoch würden den Schulen so rund 4,5 Millionen Euro gestrichen, kritisiert Detlef Hardorp, bildungspolitischer Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg. „Wir hoffen nun auf die Berliner Abgeordneten.“

Und auf engagierte Eltern und Kollegen, die sich an der geplanten Aktion, Postkarten an die Adressen der Parlamentarier zu senden, beteiligen sollen. „Es gilt das gebrochene Wort …?“, mahnt es von der Rückseite der Postkarte; darüber ist der Beschluss des Parlaments abgedruckt, Schulen freier Trägerschaft von doppelten Kürzungen zu verschonen.

Sollten die Kürzungen nicht zurückgenommen werden, dann müssten die Schulen über weitere Einsparmaßnahmen nachdenken, kündigt Hardorp an. Auch Hermann rechnet mit weniger Investitionen und Arbeitszeiterhöhungen. Eine Schulgelderhöhung mochten sie nicht ausschließen. Auch wenn beide betonen, dass sich das Bewusstsein der Berliner Politik gegenüber den freien Schulen in den letzten Jahren deutlich verbessert habe, vermutet Hardorp „auch ideologische Gründe“ hinter der vermeintlichen Benachteiligung der öffentlichen Schulen. Idealvorstellung sei immer noch, „den Bildungsauftrag über staatliche Schulen zu transportieren“.

Auch das Finanzargument ließ er nicht gelten. Das Land zahle pro Euro, den es für einen Schüler einer öffentlichen Schule ausgebe, für einen Schüler einer freien Schule nur 60 Cent. „Bei uns spart das Land ein Drittel“, so Hardorps Fazit.

Bei den Prostestpostkarten soll es nicht bleiben: „Wir werden die Regierungskoalition an unsere wochenlangen Auseinandersetzungen im letzten Jahr erinnern – und notfalls noch vehementer auftreten“ kündigte Hermann Widerstand an. Spektakuläre Protestaktionen à la Studentenstreik sind aber wohl nicht zu erwarten. „Anders als die Studenten bestehen wir ja nur darauf, dass bestehende Verträge eingehalten werden.“