Artgerechte Früherziehung von Konsumenten

Fleischvermarkter will Kindern im Strohkindergarten Tierhaltung vermitteln. Die Kids nehmen das Stroh artgerecht auseinander. Und die Verbraucherschutzsenatorin freut sich über die Vermittlung der Mühen in der Landwirtschaft

Zuerst: das Schwein finden. Es hat sich irgendwo hier im Strohkindergarten versteckt. Das Schwein ist aus Kunststoff, wegen der Hygiene. Es trägt den flippigen Namen „Neuland-Schwein“, wegen der Vermarktung. Und „Kindergarten“ ist reichlich viel gesagt für ein paar Kubikmeter Stroh verteilt in einer Halle, dazwischen bunte Luftballons. Der Biofleisch-Vermarkter Neuland möchte hier Kindern sein Nutztierfutter nahe bringen: das Stroh an sich.

„Stroh ist in der Stallhaltung etwas sehr Innovatives“, doziert Neuland-Geschäftsführer Tilman Uhlenhaut. Weil Stroh im Tierstall etwas ist, das die Produkte seines Vereins von einem Großteil der Konkurrenz unterscheidet – in modernen Ställen müssen die Tiere oft auf kalten, unbequemen Gittern vegetieren –, hat Uhlenhaut eine Imagekampagne für das Stroh gestartet. Deshalb gibt es Plakate mit der Werbezeile „Blond nicht Blöd: Stroh, besser für Tier und Umwelt“ – und zur Grünen Woche den Strohkindergarten im Kulturzentrum Pfefferberg. Die Kinder sollen, wie es beim Verein heißt, „erleben, dass Stroh wohlige Matratze, warme Zudecke, vielseitiges Spielzeug, duftende Naturerfahrung sein kann“.

Erik und Laura haben noch nie etwas mit Stroh zu tun gehabt. Sie haben aber immerhin schon einmal ein Schwein gesehen und ein Pferd, auf einem Kita-Ausflug. Sie hören konzentriert dem Vortrag zu. „Woher kommt denn Stroh?“ „Es gibt Schweine, die haben Stroh, und welche, die haben keins.“

Ein Fleischermeister von Neuland e. V. schleppt Silberplatten mit Zwiebelmett-Happen herein. Auf seine rote Weste ist ein lachendes Schweinchen gestickt. Tilman Uhlenhaut nimmt sich ein kleines Brötchen mit einem hellrosa Batzen Fleisch. „Wir wollen, dass die Kinder auch einmal klugen Konsum betreiben“, sagt er. Kluger Konsum, das heißt, Fleisch aus artgerechter Haltung kaufen, wo die Tiere richtig viel Stroh haben. Wie bei Neuland.

„Wir wollen früh bewusste Verbraucher erziehen“, sagt Heidi Knake-Werner (PDS), Senatorin für Verbraucherschutz und Gesundheit. Sie hat auch ein Zwiebelmett-Brötchen in der Hand. Sie ist Schirmherrin des Strohkindergartens.

Hinter ihr haben die Kinder angefangen, das Schwein zu suchen. Vier Kita-Gruppen rennen auf der kleinen Fläche wild durcheinander. Die Kleinen beginnen, das Stroh nach allen Regel der modernen Landwirtschaft umzugraben. Irgendwann entdeckt jemand, dass es lustig knallt, wenn man auf die rumliegenden Luftballons tritt. Die Senatorin redet weiter. Die Kinder treten munter drauflos. „Ich finde“ – knall –„die Idee gut“ – knall – „den Stadtkindern den Kontakt mit Stroh“ – puff – „zu ermöglichen“ – kawumm.

Es steigt ein feiner Dunst auf, so sehr wirbeln die Kinder das Stroh durcheinander. Bald haben alle einen schwarzen Rand unter der Nase von der trockenen Erde aus den Halmen, die durch die Luft fliegt. Nach zehn Minuten ist das Schwein gefunden. Die Kinder wühlen weiter. „Das ist viel besser als normaler Kindergarten“, ruft Erik. Er nimmt zwei Hand voll Stroh und wirft es auf Laura. Es werden Strohburgen gebaut, Ballen fliegen. Wenn das ein richtiger Kindergarten wäre, würde er gerade ziemlich auseinander genommen. Die Erziehung hier ist reichlich antiautoritär.

Knake-Werner findet das Konzept gut. „Es ist schön“, meint sie, „dass die Kinder etwas von den Mühen der Produktion in der Landwirtschaft nahe gebracht bekommen.“ BERNHARD HÜBNER

Der „Strohkindergarten“ ist bis 23. Januar, jeweils Montag bis Freitag, 10 bis 16 Uhr, geöffnet. Pfefferberg, Halle 2, Christinenstraße 18/19, Eintritt frei