28 Yards bis zur Ewigkeit

Ein Geistesblitz ihres Quarterbacks Donovan McNabb verhilft den Philadelphia Eagles noch zu einem 20:17-Sieg im fast schon verlorenen Play-off-Match der NFL gegen die Green Bay Packers

VON MATTI LIESKE

Sollten die Philadelphia Eagles, so wie es ihre Fans nunmehr unumstößlich glauben, tatsächlich erstmals die SuperBowl des American Football gewinnen, dann wird es vermutlich keine Szene aus dem Final-Match am 1. Februar in Houston sein, die den Anhängern im Gedächtnis haften bleibt. Vielmehr dürfte es sich um einen schnöden 28-Yard-Pass von Quarterback Donovan McNabb aus der sonntäglichen Partie gegen die Green Bay Packers handeln. Noch etwas über eine Minute war zu spielen auf dem Lincoln Field in Philadelphia, die Heimmannschaft lag 14:17 zurück und hatte nur noch eine einzige letzte Chance. McNabb musste es im vierten Versuch irgendwie schaffen, stolze 26 Yards zu überbrücken.

„Vierter-und-26, da bist du sicher, dass du gewinnst“, meinte Green Bays Coach Mike Sherman später. „Vierter-und 26, das ist wie Vierter-und-Ewigkeit“, sagte sein Spieler Mike McKenzie. Doch zielsicher fand McNabb seinen Mitspieler Freddie Mitchell, wenig später hatten die Eagles das Match gewonnen.

Es war ein mühseliger, glücklicher Sieg und für die Fans ein Nachmittag zum Nägelbeißen. Eigentlich hatten die 67.707 Zuschauer im Stadion einen angenehmen, entspannten Football-Nachmittag mit einem deutlichen Sieg ihres hoch favorisierten Teams erwartet. Stattdessen planschten die Eagles fast von Anfang an ihren davonschwimmenden Fellen hinterher. Green Bay und sein Quarterback Brett Favre, einer der Besten, den die National Football League (NFL) je gesehen hat, strotzten vor Selbstbewusstsein, nachdem ihnen Fortuna in den letzten Wochen überaus hold gewesen war. „Team des Schicksals“ wurden sie inzwischen genannt und wähnten sich auf einer wundersamen Mission, die eigentlich nur mit der SuperBowl enden konnte. Zwei grandiose Touch-down-Pässe von Favre, eine schnelle 14:0-Führung, unwiderstehliche Läufe von Running Back Ahman Green und eine effektive Defense gegen McNabb nährten diesen Glauben aufs Heftigste.

Dann jedoch begann ein schleichender Niedergang, eine Serie von falschen Entscheidungen und Missgeschicken, die den Eagles Hoffnung einhauchten. Nachdem Philadelphia auf 7:14 verkürzt hatte, verzichtete Coach Sherman kurz vor Halbzeit auf drei Field-Goal-Punkte und ließ stattdessen ein Yard vor der Endzone einen vierten Versuch ausführen. Ahman Green stolperte jedoch über einen Mitspieler, die Sache ging schief, die Packers blieben in Eagles-Reichweite.

In der Offensive gelang Green Bay danach wenig, dennoch schafften sie ein Field Goal und führten 17:14, als Favre zweieinhalb Minuten vor Ende im dritten Versuch ein paar Inches zum ersten Down fehlten. Diesmal entschied sich Sherman für die sichere Variante – eine Vorsicht, wie sie am Tag zuvor schon Mike Martz mit den St. Louis Rams gegen Carolina zum Verhängnis geworden war. Statt den vierten Versuch zu riskieren und bei Erfolg in aller Ruhe die Uhr runterzuspielen, brachten die Packers mit einem „Punt“ die Eagles in Ballbesitz. Das Schicksal nahm seinen Lauf – diesmal zum Schaden Green Bays. McNabb vollbrachte sein 28-Yard-Wunder, ein Field-Goal sorgte für die Verlängerung, und dort erlebte Brett Favre einen der schwärzesten Momente seiner Karriere. Ein abstruser langer Pass ins Nichts wurde von Philadelphia erobert, ein weiteres Field Goal brachte das 20:17 für die Gastgeber. „Wir glauben nicht an Schicksal, wir glauben an die Eagles“, genoss Philadelphias Tight End Chad Lewis den süßen Triumph.

Das tun jetzt erst recht die Eagles-Fans, die sich auf den Besuch der Carolina Panthers am nächsten Sonntag freuen dürfen. Im AFC-Finale treten die Indianapolis Colts, 38:31-Sieger über Kansas City, bei den New England Patriots an, die Tennessee mit 17:14 niederkämpften.