Thai-Banditen zu Terroristen mutiert

Angriffe in Südthailand, die angeblich erst Banditen-Überfälle waren, sollen jetzt doch das Werk von Terroristen sein

Um Thailands Tourismus nicht zu gefährden, durfte es offiziell kein Terrorproblem geben

BANGKOK taz ■ Thailands Verteidigungsminister Thammarak Isarangkura na Ayudhaya wollte potenziellen Kritikern offenbar zuvorkommen: „Sieben Tage sind vergangen, was soll’s? Das ist schließlich kein indischer Film, in dem wir einen Zauberspruch gebrauchen, der uns hilft, die Waffen und die bösen Jungs zu finden. Das hier ist Realität“, zitierte ihn gestern die Tageszeitung Bangkok Post. Er spielte damit auf die von Premier Thaksin Shinawatra gesetzte Sieben-Tages-Frist an, laut der die für die jüngsten Attacken in Thailands Süden Verantwortlichen gefasst werden sollten. Das ist bis heute nicht der Fall.

Vor gut einer Woche hatten mutmaßliche separatistische Angreifer ein Armeelager in der Südprovinz Narathiwat gestürmt, Waffen erbeutet und dabei vier Soldaten getötet. Zudem waren 21 Schulen niedergebrannt worden. Einen Tag später detonierten zwei Bomben im benachbarten Pattani. Dabei starben mindestens zwei Polizisten. Daraufhin verhängte Thaksin den Ausnahmezustand in den drei mehrheitlich von Muslimen bewohnten Provinzen Narathiwat, Yala und Pattani.

Es folgte eine Welle von Verhaftungen und Verhören Verdächtiger, darunter zwei Lehrer einer Islamschule. Sie sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Verwicklung in die Brandattacken auf öffentliche Schulen konnte ihnen nicht nachgewiesen werden.

Oppositionspolitiker, darunter Expremier Chuan Leekpai von der Demokratischen Partei, hatten Thaksin vorgeworfen, die Lage im Süden von Anfang an verkannt zu haben. Zudem werde sich die Situation verschärfen, wenn nicht bald die wirklichen Täter gefasst würden. Zugleich warnten die Demokraten jedoch davor, Verdächtige ohne ausreichende Beweise festzunehmen. Denn dies könnte die ohnehin schon vorherrschenden Ressentiments der muslimischen Bevölkerung gegenüber den Autoritäten noch verstärken.

Oft genug müssten Muslime als Sündenböcke herhalten, nur weil Offizielle vor Ort der Regierung in Bangkok gefallen wollten, monierte ein politischer Beobachter. Vor allem die Verhaftung der beiden Islamlehrer hatte in der muslimischen Gemeinschaft für Verärgerung gesorgt. Die überwiegend friedlichen Muslime im buddhistischen Thailand wehren sich dagegen, mit militanten Islamisten in einen Topf geworfen zu werden.

Für die Regierung ist die jüngste Welle der Gewalt ein Dilemma. Sie hatte stets verneint, ein Terrorproblem im eigenen Land zu haben, um den blühenden Tourismus nicht zu gefährden. So hatte der stellvertretende Premier Chavalit Yongchaiyudh noch versucht, die Attacken der vergangenen Woche zunächst als bloßes Banditentum abzustempeln. Dann aber musste die Regierung rasch einräumen, dass dahinter vermutlich doch militante Separatisten stünden. Anders hätte sie auch kaum die Verhängung des Kriegsrechts rechtfertigen können. Die Anschläge seien das Werk der separatistischen Organisation „Mudschaheddin Pattani“, erklärte plötzlich der neue Sicherheitsberater der Regierung, Exgeneral Kitti Rattanachaya. Wahrscheinlich habe sie Unterstützung von außen bekommen, und zwar von Separatisten aus dem benachbarten Malaysia. Diese hätten möglicherweise Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida.

Thailand und Malaysia wollen jetzt schon ab heute ihre eigentlich erst für März geplanten gemeinsamen verschärften Grenzkontrollen durchführen. Bereits gestern meldete Malaysia die Verhaftung Verdächtiger, die in die Überfälle in Südthailand verwickelt gewesen sein sollen. Um wie viele Personen es sich handelt, gab Malaysia nicht bekannt.

Für Thaksin dürfte sich die Lage im Süden, wo es schon in den 80er-Jahren separatistische Aufstände gab, zu einer der schwierigsten sicherheitspolitischen Fragen entwickeln. Bereits am Wochenende kündigte er in seiner wöchentlichen Radioansprache an, die wirtschaftliche Entwicklung im vorrangig armen Süden ankurbeln zu wollen.

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