Zeitarbeitskonzern als Black Box

Auch Adecco meldet Bilanzprobleme und verschiebt den Jahresabschluss 2003. Die Banken stufen das Unternehmen umgehend zurück, Aktie verliert die Hälfte an Wert

FRANKFURT/M. taz ■ „Ich bin wiederum erfreut über die Ergebnisse, die wir im dritten Quartal erreicht haben“, sagte Jérôme Caille, Chief Executive Officer der Adecco Gruppe, noch Ende Oktober 2003 in Chéserex in der Schweiz. Nach Angaben von Caille erwirtschaftete das weltweit größte Unternehmen für „Personal- und Karrieremanagement“ (Adecco) mit knapp 30.000 Mitarbeitern und 5.800 Niederlassungen in mehr als 60 Ländern der Erde in den ersten neun Monaten des vergangenen Geschäftsjahres ein Betriebsergebnis von 408 Millionen Euro. Doch das ist Vergangenheit. Gestern sagte Adecco überraschend die für Anfang Februar angekündigte Veröffentlichung der Jahresbilanz für 2003 ab. Grund: Unregelmäßigkeiten bei der Buchführung.

Nach noch unbestätigten Informationen aus Bankenkreisen in der Schweiz sollen sich die von Adecco bestellten Wirtschaftsprüfer geweigert haben, den Jahresabschluss zu testieren. Die an den Börsen in der Schweiz und in den Staaten (NYSE) gehandelte Aktie des Unternehmens brach danach in Zürich schon am Morgen gewaltig ein und fiel bis zum Mittag um fast 50 Prozent auf rund 43 Schweizer Franken. Die Banken stuften Addeco umgehend in der Bewertung zurück.

Das Unternehmen selbst räumte am Vormittag die vermuteten „Probleme bei der Prüfung des Zahlenwerks“ ein. Vor allem im nordamerikanischen Zeitarbeitsgeschäft seien „erhebliche Schwächen bei der internen Kontrolle identifiziert“ worden, heißt es in einer knappen Pressemitteilung. Darüber hinaus seien auch „in gewissen anderen Ländern“ in den Bereichen Buchhaltung, Kontrolle und Compliance noch Fragen offen.

Details zu den Gründen für die Verschiebung der Bilanzveröffentlichung wollte ein Sprecher von Adecco mit dem Verweis auf „rechtliche Gründe“ gestern nicht nennen. Das Unternehmen brauche jetzt Zeit für die Überprüfung auch durch externe Experten.

Broker an der Börse in Zürich vermuten eine „große Sache“. Die Bank Leu riet ihren Kunden zum Verkauf von Adecco-Aktien. Der Konzern sei eine „undurchsichtige Black Box“. Nach der für Großunternehmen in der extrem auf Seriosität bedachten Schweiz ganz ungewöhnlichen Absage einer Bilanzpressekonferenz müsse jetzt „das Schlimmste“ befürchtet werden.

Das Schlimmste wäre der Zusammenbruch der gesamten Unternehmensgruppe, die Ende des dritten Quartals im zu bilanzierenden Geschäftsjahr 2003 neben dem vorzeigbaren Betriebsergebnis auch auf einen Schuldenberg von 1,1 Milliarden Euro verweisen musste. Chef Caille prophezeite allerdings – mit Blick auf das wohl ertragreichere vierte Quartal 2003 – schon für 2004 einen beachtlichen Umsatzzuwachs und einen beschleunigten Schuldendienst.

Adecco betreibt Personalmanagement im ganz großen Stil vor allem für Branchen, die weltweit im Umbruch begriffen sind: etwa für die Automobilindustrie oder für Großbanken. Dabei geht es um das Outsourcing ganzer Belegschaften und in Einzelfällen auch um deren Beschaffung. In Deutschland ist Adecco mit rund 200 Niederlassungen und Job-Centern präsent.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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