Einmal SPD, immer Kampa

Die SPD hat ihren Europawahlkampf eröffnet. Strategisches Zentrum: die Europa-Kampa. Strategisches Ziel: die Wahlen als Volksentscheid über Schröders Irakpolitik

BERLIN taz ■ 1998 hieß die Wahlkampfzentrale der SPD noch schlicht Kampa, im Bundestagswahlkampf 2002 wurde daraus schon die Kampa02; jetzt, zur Europawahl 2004, gibt es die Europa-Kampa. Der Generalstab eines jeden sozialdemokratischen Wahlkampfs sozusagen. Aber auf das eigentliche Erfolgsrezept dieser Urmutter des modernen Medienwahlkampfs in Deutschland hat die SPD diesmal aus Kostengründen verzichtet: auf die Verlagerung des ganzen Unternehmens außerhalb der Parteizentrale. Die Europa-Kampa sitzt auf der zweiten Etage des Willy-Brandt-Hauses in Berlin.

Doch die Tatsache, dass die Kampa gestern bereits eröffnet wurde – also fünf Monate vor der Europawahl am 13. Juni –, zeigt, dass die SPD die wichtigste Erfahrung nicht ignoriert: Wahlkämpfe sind nichts für Amateure, sie müssen strategisch geplant werden. Natürlich gibt es für die gestrige Eröffnung auch noch einen simpleren Grund: Die Europawahl ist für die Sozialdemokraten in diesem Jahr von größerer Bedeutung als sonst. Sie ist eine ihrer wenigen Chancen, 2004 mal wieder eine Wahl zu gewinnen und endlich, endlich aus dem tiefen Tal der Tränen herauszukommen. Die Aussichten bei den Landtagswahlen in Hamburg, Thüringen, Sachsen oder etwa im Saarland sind da wesentlich schlechter. Da tut es Not, die SPD-Wähler rechtzeitig für Europa zu begeistern.

Rund 50 Mitarbeiter hat die Europa-Kampa. Sie werden unterstützt von derzeit 100 so genannten jungen Teams, die vor Ort vor allem junge Leute im Wahlkampf ansprechen sollen. „Und wir haben eine gute Mannschaft mit einem guten Spitzenkandidaten“, fügte Generalsekretär Olaf Scholz bei der gestrigen Eröffnung eilig hinzu. Der Spitzenkandidat heißt Martin Schulz, und der hat einen großen Nachteil, der gleichzeitig sein einziger Vorteil ist: Bis zu seiner Auseinandersetzung mit Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi war der Europaabgeordnete in Deutschland so gut wie unbekannt. Jetzt ist Schulz, so lobt sein Generalsekretär, „international berühmt“.

Schulz nannte gestern zwei Schwerpunktthemen für den SPD-Wahlkampf: die Stärkung Europas in der internationalen Sicherheitspolitik und die Stabilisierung des europäischen Sozialstaatsmodells. Hinter Ersterem steckt eine Hoffnung und eine Befürchtung. Die Hoffnung überdeckt gleichzeitig die strategische Schwachstelle der SPD: Sie hat kein europäisches Thema, das die Massen mobilisiert. Also setzt die Parteiführung darauf, aus den Europawahlen eine Art nachträglichen Volksentscheid über Gerhard Schröders populäre Irakpolitik zu machen. Diese steht für ein Stück Emanzipation Europas von den USA. Die Befürchtung dabei: Die Absicht der Union, den EU-Beitritt der Türkei zum zentralen Wahlkampfthema zu machen, könnte mehr Menschen begeistern. Scholz nannte den Plan der Union gestern noch einmal „verantwortungslos“, prophezeite jedoch, dass die Türkei kein großes Thema im Wahlkampf werde. „Die Menschen sind da klüger“, sagte er. Daraus spricht keine Gewissheit. Sondern Furcht. JENS KÖNIG