Genfood erobert die Regale

Bundesregierung einigt sich auf Gentechnik-Gesetzentwurf: Koexistenz von konventionellem und gentechnisch verändertem Anbau geregelt. Bauern erhalten Klagerecht bei Verunreinigung

BERLIN taz ■ Statt „Krieg in den Dörfern“ nun „Koexistenz und Wahlfreiheit“ – nach monatelangem Streit zwischen SPD und Grünen hat Verbraucherministerin Renate Künast gestern den Gesetzentwurf zur Gentechnik in der Landwirtschaft vorgestellt. Der Entwurf regelt Schadenersatzfragen für Bauern, auf deren Feldern sich ungewollt gentechnisch veränderte Organismen angesiedelt haben.

Danach sollen Landwirte sich künftig flurstückgenau erkundigen können, welche Nachbarn Gentech-Pflanzen angebaut haben. Diese Nachbarn müssen möglichen Schäden vorbeugen. Das Kabinett will die Vorlage im Februar verabschieden; wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, soll das Gesetz vor der Sommerpause in Kraft treten.

Der Bundesverband der Verbraucherzentrale kritisierte den Entwurf als „Stückwerk“. Von einer Wahlfreiheit der Verbraucher könne keine Rede sein, sagte Vorstand Edda Müller. Die EU-weit geplante Kennzeichnung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel erfasse weder Futtermittel noch Lebensmittel in der Gastronomie oder in Schulen, Krankenhäusern und Kantinen. „Das heißt: Bei 60 bis 70 Prozent der Lebensmittel wird es keine Kennzeichnung geben.“

Bereits morgen soll im Kabinett ein diese Kennzeichnungspflicht flankierendes Gesetz verabschiedet werden. Nach einer EU-Verordnung müssen ab April alle Produkte, die mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Substanz enthalten, eine entsprechende Kennzeichnung tragen. „Das gilt auch für geringere Inhalte, die bewusst vom Hersteller eingesetzt wurden“, erklärte Künast. Das morgen behandelte Gesetz sei eine flankierende Maßnahme, die vor allem Bußgelder im Fall der Zuwiderhandlung festlegt. Künast verwies darauf, dass diese Kennzeichnungspflicht für alle in der EU vertriebenen Produkte gilt – auch für amerikanische. Die USA und Argentinien haben dagegen vor der WTO geklagt.

Künast bezeichnete beide Gesetze als Durchbruch „sowohl für die Landwirte als auch für die Verbraucher“. Die Ministerin: „Wie viele gentechnisch veränderte Lebensmittel auf den Tisch kommen, ist nun Sache der Verbraucher.“ NICK REIMER

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