Schreibverbot für Solidarität

Journalistenverband Niedersachsen schließt Nordwest-Zeitungs-Chef aus

Oldenburg taz ■ Eine „hervorragende Zeitung“ habe man produziert, sagt Rolf Seelheim, Chefredakteur der Nordwest-Zeitung (NWZ) – trotz Warnstreiks. Nach Angaben von Deutschem Journalisten-Verband (DJV) und Verdi beteiligten sich auch am Dienstag in Bremen und Niedersachsen 200 Redakteure an dem Ausstand, der die gestern gescheiterten bundesweiten Tarifverhandlungen für Tageszeitungen in Frankfurt am Main begleiten sollte. „Selbstverständlich“ habe er auch am Montag wieder Volontäre und freie Mitarbeiter zur Produktion der in Oldenburg erscheinenden Tageszeitung herangezogen, betont Seelheim. Es sei doch „kein Problem“, “nicht vom Tarifkampf betroffene Mitarbeiter“ heranzuziehen.

Einerseits verhandelten Verleger und Gewerkschaften in Frankfurt auch über Tageszeitungs-Volontäre. Andererseits muss sich Seelheim ohnehin nicht mehr viel um die Regeln seines Berufsstands scheren. Der niedersächsische Landesverband des DJV hat den Chefredakteur nämlich bereits vor Weihnachten „wegen verbandswidrigen Verhaltens“ aus der Journalistenvereinigung ausgeschlossen. Er habe „unzulässigen Druck auf Volontäre und freie Mitarbeiter ausgeübt, dass sie als Streikbrecher fungieren sollen“, so ein DJV-Sprecher zur taz. Was bei der NWZ passiert sei, habe „eine völlig neue Qualität“. Seelheim hatte auch bei Warnstreiks im vergangenen Jahr alle Volontäre in die Redaktion einbestellt, um trotz fehlender Belegschaft eine Zeitung zu produzieren. Offenbar ging er dabei mit Härte gegen diejenigen vor, die sich dem Aufruf verweigerten. Dass er als Streikbrecher arbeiten solle, habe er erst nach mehrmaligem Nachfragen erfahren, erzählt ein ehemaliger NWZ-Mitarbeiter. „Der Verlag rechnet dir das hoch an“, soll ein Redaktionsleiter gesagt haben. Chefredakteur Seelheim soll es undiplomatischer formuliert haben: Wer nicht als Streikbrecher antrete, dürfe keine Zeile mehr in der NWZ veröffentlichen. Freelancer, die ablehnten, bekommen offenbar tatsächlich keinen Auftrag mehr von der NWZ. Sie hätten sich lieber krank melden sollen, anstatt offen zuzugeben, dass sie nicht als Streikbrecher arbeiten wollen. Seelheim kann sich an die Anweisung nicht erinnern: „Mir ist auch kein derartiger Fall im Haus bekannt“. Es sei “ein starkes Stück“, dass man „Kollegen, die sich solidarisieren wollen, kaltsstellt“, rügte NWZ-Betriebsratschef Ulrich Janßen. KSC