Diakonie will keine Muslima einstellen

Der christliche Verband lädt Deutschtürkin wegen ihres Glaubens nicht zum Vorstellungsgespräch. Prozess endet heute

BERLIN taz ■ Es ist ein Fall, den die Kirchen aufmerksam verfolgen. Denn vor dem Hamburger Landesarbeitsgericht geht es an diesem Mittwoch um die Frage, ob sie auch in Zukunft von allen Bewerbern verlangen dürfen, Christen zu sein – egal ob es um eine Stelle als AltenpflegerIn, Bürokraft oder Putzhilfe geht.

3.900 Euro Entschädigung bekam Yesim F., eine Deutsche türkischer Herkunft, im Dezember 2007 in einem Rechtsstreit mit dem Diakonischen Werk in Hamburg in erster Instanz zugesprochen. Der Grund: Der Wohlfahrtsverband hatte die 45-Jährige nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie sich weigerte, in die Kirche einzutreten – und damit nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hamburg gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, besser bekannt als Antidiskriminierungsgesetz. Es verbietet, dass Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder einer Behinderung benachteiligt werden, kennt aber Ausnahmen für Kirchen.

Bei der Bewerbung ging es um eine Stelle als Sozialpädagogin in einem von der EU geförderten Integrationsprojekt, das MigrantInnen bei der Arbeitssuche unterstützen sollte. Yesim F. hatte jahrelang für MigrantInnenorganisationen gearbeitet. Sie ist Muslima, praktiziert aber ihre Religion nicht. Die Diakonie ging gegen die Entscheidung in Berufung, die nun in Hamburg verhandelt wird. „Die Aussichten stehen sehr gut“, sagte Wolfgang Teske, Vizepräsident des Diakonischen Werks. Er beruft sich auf eine Kirchenklausel im Antidiskriminierungsgesetz, auf die CDU und CSU bei der Verabschiedung 2006 Wert gelegt hatten. Demnach dürfen die Kirchen als Tendenzbetriebe verlangen, dass ihre Mitarbeiter einer christlichen Konfession angehören.

Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche und sein katholisches Pendant Caritas beschäftigen bundesweit 900.000 Mitarbeiter und betreiben 52.000 Einrichtungen.

Diakonie-Vize Teske hält am Selbstbestimmungsrecht der Kirchen fest, egal um welche Stelle es geht: „Die Kirchen müssen die Möglichkeit behalten, selbst entscheiden zu können, ob sie jemanden einstellen, der in der Kirche ist, oder jemanden, der es nicht ist.“

Das sah das Arbeitsgericht im Fall von Yesim F. anders. Für die Stelle als Sozialpädagogin in dem Projekt sei die Zugehörigkeit zur Kirche und die christliche Religion „keine gerechtfertigte berufliche Anforderung“, heißt es in der Begründung.

Rechtsexperten sind sich bei der Bewertung der Kirchenklausel nicht einig. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schreibt in einem Gutachten, dass die Kirchen weiterhin selbst bestimmen können, inwieweit ein Arbeitnehmer ihren Anforderungen genügt. Die Autoren des Bremer Kommentars zum Gleichbehandlungsgesetz sehen das anders. Nicht bei allen Tätigkeiten könne eine Konfessionszugehörigkeit verlangt werden, nötig sei eine kirchliche Prägung des konkreten Projekts.

„Wir beobachten den Fall mit großem Interesse“, sagte Alexander Sopp von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zumal seit einigen Monaten ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland laufe. Die Kommission hält unter anderem die Ausnahmeregeln für Kirchen im deutschen Antidiskriminierungsgesetz für nicht vereinbar mit EU-Vorgaben. WOLF SCHMIDT

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