„Mein Hamlet“

Andreas von Studnitz inszenierte in zwei Wochen Shakespeares „Hamlet“ – als Einspringer für die geschasste Claudia Bauer. Am Sonntag ist Premiere

Sechs Wochen lang probte Claudia Bauer, 36 und künstlerische Leiterin des Theaterhauses Jena, Shakespeares „Hamlet“ als Gastregisseurin am Bremer Theater. Gut eine Woche vor der Premiere begutachteten Intendant Klaus Pierwoß und Chefdramaturg Joachim Klement eine Durchlaufprobe und beendeten daraufhin die Zusammenarbeit mit Bauer. Klement: „Es war nicht ausmachbar, wohin die Reise geht. Wir sind interessiert an einer bestimmten Qualität. Diese zu erreichen schien nicht möglich aufgrund des Arbeitsergebnisses.“ Claudia Bauer wurde durch Andreas von Studnitz ersetzt, der im letzten Jahr am Bremer Theater bereits „Baumeister Solness“ inszenierte und bereit war, „Hamlet“ innerhalb von 14 Tagen zur Aufführungsreife zu bringen.

taz: Herr von Studnitz, was haben Sie vorgefunden, als Sie das Theater am Richtweg betraten?

Andreas von Studnitz: Einen Raum, den ich genau so übernommen habe, bis auf sechs Stühle, die rausflogen. Außerdem gab es noch einen kleinen Swimming-Pool, den ich eleminiert habe zugunsten eines Grabes von Hamlets Vater. Und Schauspieler, die relativ verzweifelt Texte absonderten. Die vorgefundenen Kostüme waren absolut heutig, teilweise tendierten sie zum Trash. Es gab keinerlei Art von Gedanklichkeit in den Szenen. Es war ein Steinbruch, es war alles gleich wichtig, es waren keine Akzente erkennbar. So dass ich relativ schnell nicht mehr hingehört habe und mir meine Gedanken gemacht habe.

Nämlich?

Ich habe in diesem Wust einen erkennbaren Punkt von Schmerz vermisst, aus dem heraus dieser Stillstand in Hamlet resultiert. Insofern habe ich aus dem Swimming-Pool ein Grab gemacht. Weil ich einen Fixpunkt haben wollte in dieser Welt.

Dann wurde mir klar, dass die Frage von Schuld und Nicht-Schuld ästhetisch ausgeklammert war. In der Hamlet-Welt spielt das aber eine Rolle. So eine Figur wie die Königin kann man nicht nur als geiles Weib zeigen. Ich habe aus ihr eine elisabethanische Figur gemacht. Den Vater zeige ich als kranken Mann, bei dem man versteht, dass ein potenterer Rivale sagt: Der muss weg, der blockiert Entscheidungen. So entstehen lauter schiefe Konstellationen, und jede Figur von sich aus gesehen hat recht.

Auch der Konflikt zwischen privatem Tun und öffentlicher Konsequenz kann da untersucht werden. Aber das habe ich mir vorher so nicht ausgedacht. Ich bin darauf losmarschiert und es hat funktioniert. Die Schauspieler konnten mit dem, was ich anbot, sofort was anfangen. Das sind abgesehen von inhaltlichen Dingen auch handwerkliche Fragen, gerade was Sprachbehandlung angeht.

Der Text ist wichtig?

Sehr. Gerade weil ich ihn auf das Wesentliche zusammenstreiche. Der Abend dauert eine Stunde und fünfzig Minuten bei mir.

Und sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Ja. Es ist überhaupt kein Not-Hamlet, sondern es ist mein Hamlet.

Ohne Einschränkungen?

Den einzigen Punkt, den ich grundsätzlich anders entschieden hätte, ist der Einsatz von Blaumeier. Als ich das sah, habe ich erstmal gesagt: Das geht so nicht. Weil die auf einer anderen Ebene Theater spielen, auf einer Ebene, die Voyeurismus provoziert. Aber es gibt eine Möglichkeit, damit umzugehen, indem die nicht als Schauspieler auftreten, sondern als Puppenspieler. Es ist damit eine extra Kunstebene eingezogen.

Claudia Bauer ist vom Theaterhaus Jena her bekannt für das Bemühen um eine neue Ästhetik, für radikale Spielauffassungen und Aktualität, für das, was die freie Szene gerne als Gegenmodell zum Stadttheater in Anschlag bringt. Sie dagegen setzen auf den Text, auf Nachvollziehbarkeit und Solidität – ergibt sich da das Problem, sich als Konservativer des Stadttheaters zu positionieren?

Damit habe ich kein Problem. Das finde ich stinklangweilig. Das Stadttheater in dem Sinne gibt es sowieso nicht. Es gibt nur langweilige Aufführungen und nicht langeweilige.

Ich kann mit so einem Begriff wie ‚solide‘ nur bedingt was anfangen. Wenn ein Schauspieler auf der Bühne einen Text sagt, ist es das größte Risiko, sich der Problematik auszusetzen, dass dieser Text so rüberkommen muss, als ob er im Moment entsteht. Das ist für mich die Latte. Wenn das jetzt solide ist oder konservativ, dann bin ich konservativ. Und neues Theater gibt es sowieso nicht, wenn man sich ein bisschen in existierenden Theaterformen auskennt. Das sind so Fragen mit denen ich mich nicht mehr beschäftige. Aber das ist vielleicht auch eine Altersfrage.

Interview: Klaus Irler

Premiere: 2. März, 19.30 Uhr, Musicaltheater am Richtweg