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„Da sitzt die böse Frau“

Im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen hat die Einzelhandelskette „Kaufhof“ mittlerweile alle Kurzwarenabteilungen aus ihren Haupthäusern ausgegliedert. Bei der Friedrichshainer Filiale befindet sich zum Beispiel die Verkaufsstelle für Nähgarn, Knöpfe und Reißverschlüsse auf dem Gelände des Ostbahnhofs. Das Warenhaus hat für diesen Zweck einen schwach beleuchteten Geschäftsraum am hinteren Ende der Ladenpassage des Bahnhofs gemietet. Publikumsverkehr herrscht hier wenig.

Die Kurzwaren-Verkäuferin thront vor der Scanner-Kasse auf einem erhöhten Bürostuhl. Seit der Verlagerung ihrer Abteilung in die Passage muss sie auch Sonntags arbeiten, das verlangen bestimmte Sondergesetze, die liberalisierte Öffnungszeiten auf Bahnhöfen vorschreiben. zudem lädt die geringe Größe der Produkte zum Ladendiebstahl ein. Vom Verkaufspersonal fordert das erhöhte Wachsamkeit und den Mut zum beherzten Einschreiten. Entgegen anders lautenden Gerüchten wird der Verlust, der für „Kaufhof“ durch Diebstahl entsteht, Angestellten zwar nicht vom Lohn abgezogen. „Aber ich arbeite hier, also passe ich auf“, sagt die Kurzwaren-Verkäuferin vom Ostbahnhof.

Bisweilen verdächtigt sie einen Kunden auch mal irrtümlich des Diebstahls. Dann gibt es großes Geschrei, die Verkäuferin muss sich entschuldigen. Gerne tut sie das nicht, aber „es hat auch sein Gutes. Nächstes Mal, wenn sie kommen, wissen sie gleich: Da sitzt die böse Frau.“ So hat es durchaus Vorteile, dass das Sicherheitsinteresse des Konzerns mit dem Selbstbild seiner Mitarbeiter korrespondiert. Und da sollen die Menschen nicht gleich wieder anfangen zu klagen über den bedauernswerten Zustand der Dienstleistungshauptstadt Berlin. KIRSTEN KÜPPERS