Virtuelles Stadthotel

103 Apartments, aber kein Zimmerservice. Das virtuelle Hotel knüpft Wohnungen in ganz Berlin via Internet zu einem Hotel. Und das ist günstig

von CHRISTINE BERGER

Der Nachbar ist Abgeordneter, die Küchenzeile hat vier Herdplatten, und wenn man aus dem Fenster schaut, blinkt der Fernsehturm. Ein Apartment mit solchen Eigenschaften zu mieten, ist nichts Besonderes, es sei denn man kommt als Gast in die Stadt und sucht nur eine Bleibe für ein paar Tage. Da hilft das „virtuelle Hotel“ seit einem Jahr weiter. 103 Wohnungen hat das Hotel, das eigentlich keines ist, in der ganzen Stadt verteilt gekauft oder angemietet.

Interessenten können zwischen drei Kategorien wählen, der Preis pro Nacht beträgt 50 bis 60 Euro. „Unsere Gäste wünschen Hotelstandard, sind aber froh, wenn sie auch mal in einem ganz normalen Mietshaus wohnen können“, beschreibt der Geschäftsführer des Betriebs Julien Jordan die Idee. Als Lehrbeauftragter am Institut für Kulturwissenschaftler an der Viadrana- Universität in Frankfurt (Oder) kam er mehr durch Zufall mit dem Hotelgewerbe in Kontakt. „Mit drei Wohnungen fing es an“, so Jordan. Ein ausgeklügelter Internetauftritt, der im Detail die einzelnen Wohnungen beschreibt und vorführt, Kapazitäten anzeigt und außerdem noch aktuelle Infos zum Stadtgeschehen liefert, ist die Grundlage des Hotelgeschäfts. „95 Prozent der Buchungen erfolgen über das Internet“, berichtet der gebürtige Bochumer, der sich auch als Unternehmenberater und Lobbyist verdingt. Nicht zuletzt seine Kontakte zu EU-Gremien und Botschaften haben das virtuelle Hotel ins Rollen gebracht.

So wissen besonders Geschäftsleute und Diplomaten, die ständig auf Achse sind und von Hotelzimmern die Nase voll haben, Jordans Service zu schätzen. Der studierte Historiker organisiert mit seinen Mitarbeitern auf Wunsch seiner Gäste auch Stadtführungen, informiert über den nächsten Supermarkt oder lässt auch mal ein Ersatzgerät besorgen, wenn das Notebook den Geist aufgibt. Ein Service, den normalerweise nur Fünf-Sterne-Hotels leisten. Wer sein Frühstück ans Bett gebracht bekommen will, Konferenzräume braucht oder einen Bodyguard benötigt, kann das gegen Aufpreis buchen. Erst neulich wollte eine syrische Gesandschaft in der gebuchten Wohnung einen Hammel schlachten. „Da haben wir schnell einen Ort gesucht, wo das besser geht.“

Die Eigentümer der Wohnungen, die Jordan anbietet, bekommen pro Vermietung eine Provision, die sich danach richtet, wie viel Eigenleistung erbracht wurde. „Zum Teil bauen die Eigentümer nach unseren Vorgaben aus, zum Teil übernehmen wir das komplett.“ Die Apartments, die grundsätzlich nur für Hotelgäste zur Verfügung stehen, befinden sich in sanierten Plattenbauten in Mitte, Gründerzeitvillen im Westend und Wilmersdorfer Mietskasernen. Auch am Potsdamer Platz, Unter den Linden und am Kurfürstendamm gibt es Wohnungen.

So unterschiedlich die Häuser sind, die Einrichtung ist relativ identisch. Orangefarbener Teppich, Massivholz- oder Ikea-Möbel, Einbauküche, kein Schnickschnack, das ist der Standard, der so gut ankommt, dass Jordan auch in London eine Filiale eröffnet hat und demnächst in Brüssel. Franchise-Unternehmen in Prag und Budapest sind geplant. Manche Wohnungen, wie auf dem Gelände des Bundesarchivs in Lichterfelde, sind so beliebt, dass dem virtuellen Hotel dort mittlerweile halbe Häuser gehören. „17 Minuten mit der S-Bahn bis zum Potsdamer Platz und trotzdem im Grünen“, begründet der Unternehmer den Hang zum Stadtrandurlaub. Mit 39 Euro pro Nacht für zwei Personen ist der Aufenthalt im Vier-Sterne-Apartment außerdem vergleichsweise günstig. Und wer in der Gruppe reist, kann mit etwas Glück im gleichen Haus mehrere Wohnungen mieten.

Eine echte Rezeption gibt es übrigens trotzdem, doch die ist meilenweit von den Wohnungen entfernt. In der Johannisstraße in Mitte ist nämlich der Firmensitz. „Ideenkontor“ lautet das Firmenschild, der Weg zu den Büroräumen führt durch eine herrschaftliche Halle mit Empfangstresen. „Da melden sich die Gäste an, werden zu ihren Wohnungen gefahren und eingewiesen“, so Jordan. Vorher müssen sie allerdings zahlen. „Bar, damit das gleich geklärt ist.“

www.virtual-hotel.de, Johannisstr. 20, 10117 Berlin, Tel.: (0 30) 7 26 19 40 11, Hotline: (01 78) 7 07 08 88