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: Talk in Bagdad

„Krieg oder Frieden. Das Interview mit Saddam“ (Do., 23.15 Uhr, RTL)

Von Saddam hat die Welt schon so viel Übles gehört, dass sich der Name schon fast wie von selbst zu „Satan“ abschleift. Satan Saddam ist nicht nur der Böse, er ist das Böse. Ein Diktator, gegen den die hyperpuissance USA ihre geballte Streitmacht aufgefahren haben – sie nennen es „Drohkulisse“, als handele es sich um Flugzeugträger aus Pappmaché. Es ist eine so massive Drohung, dass Saddam Hussein eigentlich nur gewinnen konnte in den 45 Minuten, die er dem CBS-Reporter Dan Rather Rede und Antwort stand.

Dass er diese Situation mit staatsmännischer Souveränität über die Bühne brachte, verwundert weit weniger als das weltweite Staunen über seine demonstrative Nonchalance – was haben wir denn erwartet? Offenbar einen Bedrängten, der mit eingezogenem Kopf hölzerne Phrasen drischt. Stattdessen bot Saddam dem Reporter mit ausgesucht arabischer Höflichkeit Kaffee an. Hielt einen Stift in der Hand – ohne nervös damit herumzuspielen. Korrigierte seinen Dolmetscher, der von „Bush“ gesprochen hatte – und nicht, wie Saddam, von „Herr Bush“, was der Respekt gebiete. Umgekehrt ist er für den US-Präsidenten schlicht „der Typ, der meinen Vater umbringen wollte“. Saddam Hussein ist nicht Slobodan Milošević, und genau hier liegt das Problem. Ein direktes TV-Duell zwischen Bush und Saddam? Undenkbar.

Denn so manierlich wie den Iraker erlebt man einen George W. Bush selten. Prompt beschwerte sich das US-Präsidialamt, dass es die Ausstrahlung nicht kommentieren durfte. Anstelle von Vizepräsident Cheney oder Außenminister Powell wollte das Weiße Haus nur den Sprecher Ari Fleischer schicken, was CBS ablehnte. Der Vorfall provoziert die Frage, wieso die US-Regierung eigentlich meint, Aussagen eines fremden Staatschefs kommentieren zu müssen. Ach so, der Araber macht ja Propaganda – in den USA bekanntlich ein Fremdwort.

In einer aktuellen Online-Umfrage des US-Magazins Time („Welches Land gefährdet 2003 den Weltfrieden am meisten?“) haben übrigens bis dato 616.350 Menschen ihre Stimme abgegeben. Für Nordkorea votierten 5,6 Prozent, für den Irak 6,7. Und 87,7 Prozent fürchten sich vor den USA. ARNO FRANK