peter unfried über Charts
: Drei Liter? Guter Versuch, Jungs!

Das neue Auto (5): Ein ökologisch korrekter Autokauf quält und verändert ein Leben. Zum Besseren? Urteilen Sie selbst

Du schreibst: „Ich wollte doch nichts Böses – bloß ein Auto“. Das kommt dem Satz gleich: „Ich wollte doch nichts Böses, bloß für meine Bequemlichkeit einen Menschen umbringen, sei es direkt, durch Abgase, Lärm oder die Klimakatastrophe.“

Aus einem Leserbrief

Ich hätte nie geglaubt, dass die popelige Suche nach einem neuen Fortbewegungsmittel zur Sicherung der bequemen, später auch der ökologischen Mobilität von zwei Großen und zwei Kleinen ein Leben so verändern kann. Aber: Sie kann. Man wird extrem seltsam. Erst verfällt man dem „Autowahn“ (ein Leser), dann „verkrampft“ man auch noch dabei (ein anderer Leser). Zunächst beschäftigt man sich plötzlich ständig mit Autos. Früher hätte man sich den Arsch damit abgeputzt; jetzt liest man plötzlich alle Anzeigenumfelder („Mobiles Leben“ und so was). Dann starrt man auf der Straße jedem potenziell in Frage kommenden Auto hinterher. Wie ein läufiger Hund. Natürlich redet man auch dauernd und ungefragt über die „Common Rail-Technik“, das „Flex Space Concept“ – oder sagt plötzlich unmotiviert so Zeug wie: „Wusstet ihr eigentlich, dass schon Rudolf Diesel seinen Diesel mit Pflanzenöl betrieben hat?“ (Sie wussten es nicht.)

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Beruflich darf ich die Entwicklung wohl als Aufstieg verstehen. Interessante Werbebroschüren für, sagen wir mal, Allrad-Mercedes ab 100.000 Euro landen umgehend bei mir. In Mails teilt man mir „exklusiv“ mit, dass BMW eine weltweite Rückrufaktion für den X5 startet. Und auf meinem Schreibtisch liegt neuerdings regelmäßig Auto-Bild. Keine Ahnung, wo das ganze Zeug herkommt. Oder früher landete. (Manche sagen: im Papierkorb.) Gesellschaftlich bin ich jetzt leider etwas einseitig festgelegt. Wenn mich jedenfalls eine Bekannte die Oranienstraße, Berlin-Kreuzberg, entlanggehen sieht, kann man sicher sein, dass sie hinterher sagt: „Hast du dir denn immer noch keinen Minivan gekauft, Peter?“. Nein, habe ich nicht. Übrigens: Werde ich auch nicht. Die Termini „fossile Brennstoffe“, „veresterter Biodiesel“ oder „Euro 4 Abgasnorm“ hat mir mein Bruder eingebimst wie ich ihm früher „Viererkette“, „Gruppe 47“ oder „Altamont“. Studiere jetzt in der Freizeit die Deutschlandkarte der Erdgas- und Ökodiesel-Tankstellen. Surfe im Internet, um herauszufinden, was das Wuppertal Institut über die Zukunft des „Carsharing“ zu sagen hat. Und wenn mir ein Freund stolz erzählt, sein neuer gebrauchter Daimler brauche „nur sieben Liter“, muss ich mich sehr zurückhalten, um ihm keine reinzusemmeln.

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Die zunehmende Sensibilisierung hat sogar dazu geführt, dass mich die schönen Minivans inzwischen furchtbar abstoßen. (Allerdings nicht immer. Manchmal streichle ich heimlich im Vorbeischlendern einen Citroën Picasso. Ahhh … geil! Später: Schuldgefühle. Hm.) Womit die Haupterfahrung benannt ist: Ein ökologisch korrekter Autokauf ist eine unlogische, unmögliche und damit quälende Sache. Es ist ein bisschen wie das Leben. Oder der Fußball. Je seriöser man sich damit beschäftigt, desto komplexer wird alles. Gesamtenergiebilanz eines Fahrzeugs? Rußpartikelfilter? Erdgas? Pflanzenöl? Solarmobil? Als Großstädter? Wie denn? Man kann nur verlieren … Fuck it! Oder? Streichen Sie den letzten Satz. Man kann nur gewinnen. Es ist simpel: Je weniger fossilen Brennstoff ein Auto verbraucht, desto sexier ist es.

Wenn Sie es wirklich hören wollen: Bin einfach kein Mann für Pflanzenöl, bin nicht reif, um die Berliner Kochstraße mit dem Solar-Twike entlangzubrummen. Und „zu Fuß gehen“, wie ein Leser empfiehlt? Nein. Aber ich kaufe Pfandflaschen. Behauptet jedenfalls mein Bruder. Sei doch auf Naturstrom umgestiegen. Immerhin. Trennte Müll, wählte grün, sei ja doch wohl letztlich links. Kann man dann in der Frage der Mobilität gleichgültig sein – der wichtigsten persönlichen ökologischen Entscheidung? Kann man der Autoindustrie sagen, dass man alles schluckt?

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Klar kann man. Aber nur als kompletter Vollidiot. Sagt mein Bruder. Okay, gerade hat VW mitgeteilt, dass das doch nichts wird mit dem 1-Liter-Auto. Vielleicht 2 Liter. Irgendwann. Tja. Und die 3-Liter-Autos? Verschwinden so heimlich vom Markt, wie sie gekommen sind. Während jede Klimaanlage mit einem Werbegetöse eingeführt wird, als habe der Mensch ohne sie keine Zukunft (darf man darauf hinweisen? Das Gegenteil ist der Fall). Okay. Es bedeutet zwar keinen Aufbruch, aber es ist eine symbolische Handlung; Man soll es verstehen als Angebot an die Autoindustrie: Drei Liter? Guter Versuch, Jungs. Aber das kann doch wohl nicht euer letztes Wort sein? Her mit dem Ein-Liter-Auto! Und übrigens: Nur wenn ihr mich ernst nehmt, könnt ihr weiter auf mich zählen. Und wenn nicht? Könnt ihr mir ein für alle Mal gestohlen bleiben.

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Wir suchen jetzt bei mobile.de nach einem gebrauchten Audi A2 1.2 TDI 3L. Geil. Mein Bruder hat uns seinen Segen gegeben. Sobald der erste in unserem Preisspektrum auftaucht, schlagen wir zu.

Äh… Drei-Liter-Audi         unter 11.000 Euro?     kolumne@taz.de