DIE BUNDESREPUBLIK BLOCKIERT DIE WELT-TABAKVERHANDLUNGEN
: Wen interessiert schon Lungenkrebs?

Es klingt gut, was das Bundesgesundheitsministerium Anfang des Monats schrieb: „Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation, den Tabakkonsum weltweit zu reduzieren, wird von der Bundesregierung auf allen Ebenen unterstützt.“ Das ist angesichts der Schäden durch Tabakrauchen auch das Mindeste, möchte man meinen. Allein: Die Regierung tut das Gegenteil dessen, was sie sagt.

Schon seit Jahren verhandeln die über 190 Staaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Einschränkungen bei der Tabakwerbung. Viele Länder, vor allem arme, fordern seit langem ein totales Werbeverbot, weil sie Zigaretten fürchten. Einer von fünf Jugendlichen zwischen 13 und 15 Jahren weltweit raucht, gerade in Schwellenländern sind die Glimmstengel als allgegenwärtiger Imageträger auf dem Vormarsch. Vor allem Japan, Deutschland und die USA, die bedeutende Tabakindustrie haben, waren bisher völlig gegen ein Verbot. Zudem haben Zigarettenverkäufer nicht nur Geld für Parteispenden, sondern auch mächtige Verbündete in den Medienkonzerne. Deren Verlagschefs fürchten nämlich um die Werbemillionen von Marlboro, Camel oder West und machen daher rücksichtslos Druck auf ihre Regierungen. Wen interessieren schon Lungenkrebs oder Raucherbeine, wenn es Geld zu verdienen gibt?

Die rot-grüne Regierung hat dem Druck von Verlegern und Tabakkonzernen weltweit am schamlosesten nachgegeben. Ständig wurde der Entwurf der Tabakkonvention weiter verwässert. Von einem Verbot ist längst nicht mehr die Rede, nur noch von Einschränkungen nach nationalem Gusto. Alle Länder haben dem abgeschwächten Entwurf nun zugestimmt – nur Deutschland blockierte gestern bei Redaktionsschluss immer noch unverdrossen. Das ist ein Skandal. Auch ein totales Tabakwerbeverbot würde nicht plötzlich die Wende beim steigenden Zigarettenkonsum bringen. Aber helfen würde es schon. Vielleicht schämt sich die Bundesregierung ja immerhin ein wenig und verwässert ihr im Koalitionsvertrag vereinbares nationales Antitabakprogramm nicht ebenso wie die weltweite Konvention. REINER METZGER