Ein Rechtsextremer als Parlamentsvize

Eines der höchsten Ämter Österreichs ist jetzt mit einem Mann besetzt, der sich zu rechtsextremem Gedankengut bekennt. Die Wahl der Nationalratspräsidenten – normalerweise ein Routineakt anlässlich der konstituierenden Sitzung der großen Parlamentskammer – ging daher am Dienstag nicht ohne heftige Debatten über die Bühne. Auf der Besuchergalerie streiften Jugendliche „Pfui“-T-Shirts über.

Martin Graf, 48-jähriger Wiener, ist keiner von den rechten Radaubrüdern, die durch die FPÖ groß geworden sind. Er spricht bedächtig und ist auch durch sein biederes Äußeres nicht als Exponent einer Partei zu erkennen, die mit rabiaten Sprüchen gegen Ausländer Stimmung macht. Ihn hatte die FPÖ für den Posten des Dritten Nationalratspräsidenten vorgeschlagen. Dieser Posten steht traditionell der drittstärksten Partei zu. Die FPÖ hat dieses Amt jahrzehntelang besetzt, ohne dass es jemals heftigere Gegenwehr gegeben hätte.

Die Grünen, die nach ihrem bescheidenen Wahlergebnis den Posten verloren, wollten sich diesmal aber nicht an die Usancen halten und stellten mit Exparteichef Alexander van der Bellen einen Gegenkandidaten auf. Martin Graf ist nämlich Mitglied der schlagenden Studentenverbindung Olympia, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als rechtsextrem eingestuft wird.

Graf, der mit Stolz in den korporierten Farben als „alter Herr“ auftritt, ist beileibe keine Karteileiche. Vor 21 Jahren war der Jurist an der Organisation eines Auftritts des deutschen Neonazis Reinhold Oberlercher am Juridicum der Universität Wien beteiligt. Die Olympia hatte vor einigen Jahren auch den verurteilten britischen Holocaust-Leugner und Geschichtsrevisionisten David Irving eingeladen.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hielt dennoch an seiner Nominierung fest. Graf fühlte sich immerhin bemüßigt, eine schriftliche Erklärung zu verlesen, in der er „alle Formen des politischen Fanatismus, Rassismus und Antisemitismus sowie alle im Namen einer fehlgeleiteten Ideologie verübten Verbrechen“ verurteilte. Für einen Austritt aus der Olympia sieht er keine Veranlassung: Aus einem „Lebensbund“ könne man nicht ohne Weiteres austreten.

Graf trägt seine Gesinnung nicht so offen vor sich her wie mancher Parteigenosse. Als Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der Ungereimtheiten und Missmanagement in staatsnahen Banken prüfte, machte er 2007 keine schlechte Figur. Trotz der Kontroversen bekam Graf 109 von 156 abgegebenen Stimmen. Außer den 20 Grünen stimmten nur einige Sozialdemokraten für den Gegenkandidaten. RALF LEONHARD