„Noch nicht der große Wurf“

Schulsenatorin Christa Goetsch zieht Konsequenzen aus dem Bericht zum Lehrerarbeitszeitmodell. Jetzt soll in zwei Schritten reformiert werden. Kommission empfiehlt maximal 29 Unterrichtsstunden

Das Lehrerarbeitszeitmodell wurde 2003 ohne Pilotphase in der Fläche eingeführt, mit dem Versprechen, es nach kurzer Zeit zu evaluieren und bei Ungerechtigkeiten nachzusteuern. „Bis heute ist das nicht passiert. Wir werden seit sechs Jahren immer wieder vertröstet“, kritisiert der Gesamtpersonalratsvorsitzende der Schulen, Hans Voß. Mit dem Arbeitszeitmodell habe es 2003 eine erhebliche Arbeitsverdichtung für die Kollegen gegeben. Auch seien seither selbst nach Behördenaussage 42 neue Aufgaben für Lehrer hinzugekommen. „Wenigstens für die brauchen wir Entlastung“, sagt Voß.

„Wenn es jetzt wieder keine Verbesserungen gibt, wird der Widerstand gegen Reformen an den Schulen erheblich wachsen.“ Die Vorschläge der Behler-Kommission hatte der Gesamtpersonalrat allerdings in einer Stellungnahme abgelehnt, weil dadurch ein Teil der Lehrer mit noch mehr Arbeit belastet würde. Die Kommission hatte eine Verschiebung der Zeitfaktoren für einzelne Fächer angedacht. Das hätte zum Beispiel an Grundschulen dazu geführt, dass Lehrer der 1. und 2. Klassen mehr unterrichten müssten. Besonders belastet worden wären die Deutschlehrer an Gymnasien. KAJ

INTERVIEW KAIJA KUTTER

taz: Frau Goetsch, Sie haben den Bericht der Behler-Kommission über das Lehrerarbeitszeitmodell veröffentlicht. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Christa Goetsch: Vorweg muss ich sagen, dass sich die Ausgangslage geändert hat. Gabriele Behler, die frühere Kultusministerin Nord-Rhein-Westfalens, erhielt in der vergangenen Legislatur den Auftrag, das Lehrerarbeitszeitmodell zu überprüfen. Das sollte kostenneutral passieren und basierte auf den Plänen eines Zwei-Säulen-Modells aus Gymnasium und Stadtteilschule, das nach der vierten Klasse beginnt. Unsere neue Koalition plant aber eine sechsjährige Primarschule. Wir mussten nun sehen, was aus dem Bericht für unsere große Schulstrukturreform übernommen werden kann.

Muss das Modell nun geändert werden?

Grundsätzlich bleiben wir bei diesem Modell. Eine Rückkehr zum alten Pflichtstundenmodell ist keine Alternative. Nur haben wir uns vorgenommen, das Arbeitszeitmodell in zwei Novellen zu verändern. Wir planen kurzfristig zum 1. August 2009 eine kleine Novelle. Und wir wollen im Rahmen unserer großen Schuloffensive in zwei Jahren noch einmal einen größeren Schritt in einer neuen Arbeitsgruppe, also eine zweite Novellierung wagen.

Was bringt die erste Novelle?

Die Behler-Kommission stellt fest, dass die Aufgaben der Schulen erheblich zugenommen haben. Die „selbstverantwortete Schule“ erfordert viel mehr Verwaltungstätigkeit. Deswegen schnüren wir als Allererstes ein Paket zur Verstärkung der Schulsekretariate, für das wir 800.000 Euro bereitstellen. Um bis dahin Härten auszugleichen, werden 60 Asklepios-Rückkehrer die Sekretariate unterstützen.

Was bieten Sie den Lehrern?

Die Behler-Kommission schlägt eine Obergrenze von 29 Unterrichtsstunden für Lehrer vor. Bisher fehlen uns aber die Daten. Wir wissen gar nicht, wie viele Lehrer tatsächlich 30 oder 31 Stunden vor der Klasse stehen. Wir werden aber die Schulen bitten, die 29 Wochenstunden schon organisatorisch umzusetzen. Dafür gibt es keine zusätzlichen Ressourcen. Deshalb müssen die in der übrigen Zeit andere Aufgaben übernehmen.

Dem Arbeitszeitmodell zufolge hat jeder Lehrer eine 46-Stunden-Woche. Da bleiben nach Abzug von 29 Unterrichtsstunden noch mehr als 20 Stunden übrig. Klingt anstrengend.

Diese Regelung ist auch nur ein Schritt und keine Lösung in der Perspektive.

Im jetzigen Modell gilt eine Deutschstunde als vorbereitungsintensiver als andere Fächer. Schlägt Behler für diese „Faktoren“ Änderungen vor?

Ja. Systemimmanent haben sie die Bewertungsfaktoren zwischen den Fächern etwas verschoben. Das reichte aber nicht zu einem großen Wurf, eben weil sie ressourcenneutral planen mussten. Spannend finde ich den Vorschlag, den Schulen mehr Spielräume zu geben.

Was bringt die zweite Novelle?

Wir gehen davon aus, dass die neue Schulstruktur und die neue Lernkultur sich auch im Lehrerarbeitszeitmodell widerspiegeln müssen. Wir werden den Unterricht anders rhythmisieren und mehr Ganztagesschulen haben. Da bieten sich Präsenzzeitmodelle an. Pro Jahr arbeitet ein Lehrer 1.770 Stunden. Man könnte sagen: zwei Drittel gehören der Schule, die andere Zeit kann individuell verwendet werden. Präsenzzeit heißt, man fängt morgens um 8 Uhr an und geht um halb vier nach Hause und hat an der Schule seinen festen Arbeitsplatz. In diese Richtung zu denken, soll Aufgabe einer neuen Arbeitsgruppe sein, an der wir auch Kammern und Lehrerverbände beteiligen werden.

Für den einzelnen Lehrer kommt jetzt keine Entlastung?

Richtig. Außer, dass keiner 30 oder 31 Stunden unterrichten muss. Aber wir müssen weiter denken.

Wäre so ein Präsenzzeitmodell denn kostenneutral?

Das muss man prüfen. Das Lehrerarbeitszeitmodell war sehr kleinteilig und wurde unter hohen Sparauflagen implementiert. So etwas führte nicht zu einer Aufbruchstimmung. Jetzt haben wir Entlastungen schaffen können durch die Senkung der Klassenfrequenzen und den Ausbau der Ganztagschulen. Unter neuen Bedingungen hat das Lehrerarbeitszeitmodell eine Chance.

Fotohinweis:Christa Goetsch (GAL), 56, ist seit Mai 2008 Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin in Hamburg FOTO: DPA