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: Berlusconi ist wieder angeklagt

Der Mann hat wirklich Grund, sich zu ärgern. Da gibt Silvio Berlusconi nach eigenem Bekunden seit Jahren Millionensummen für seine Strafverteidiger aus, da lässt er sein komplettes Anwaltskollegium auch noch als Abgeordnete ins Parlament wählen. Und trotzdem muss sich Italiens Ministerpräsident immer noch mit der Justiz rumschlagen. Dem billigen Manöver, alle Prozesse gegen ihn zu verbieten, haben die Verfassungsrichter jetzt ihren Segen verweigert. Damit steht Berlusconi erneut da, wo er schon oft stand: als Angeklagter vor Gericht.

KOMMENTARVON MICHAEL BRAUN

Die ausgefeiltesten Anträge vor Gericht haben diese Staranwälte gestellt und im Parlament Gesetze durchgeboxt, die alle das eine Ziel hatten: endlich die Prozesse gegen ihren Auftraggeber abzuwürgen. Aber obwohl die ausgebufften Winkeladvokaten alle Register zogen, haben sie dieses Resultat nicht erreicht – weil Italien noch ein unabhängiges Verfassungsgericht hat.

Berlusconi selbst hat sich damit die zweite schwere Niederlage in wenigen Wochen eingehandelt, nachdem schon Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi seinem keck auf den weiteren Ausbau der eigenen Vormachtstellung zugeschnittenen Mediengesetz die Unterschrift verweigert hatte. Dabei sind Medien und Justiz Berlusconis Leib-und-Magen-Themen. Sie haben ihn vor zehn Jahren überhaupt erst veranlasst, sich in die Politik zu stürzen. Dass er dabei allzu frech ureigenste Interessen verteidigte – dies wurde ihm jetzt binnen kurzem von zwei der höchsten Autoritäten des Staates bescheinigt. Mehr noch: Seinem Ansinnen, die Justizpolitik durch seine Verteidiger und die Medienpolitik durch die Rechtsabteilung seines Konzerns gestalten zu lassen, ist jetzt erst mal ein Riegel vorgeschoben.

Am Ende aber ist Berlusconi noch lange nicht. Seine populistische Theorie, das Volk hätte ihn ja per Votum sowohl von seinem Interessenkonflikt als Medienunternehmer als auch von allen Anklagen der Justiz freigesprochen – diese Theorie ist juristisch durchgefallen. Doch politisch hat sie weiter Bestand, solange Berlusconi die Mehrheit des Parlaments ebenso wie der Wähler auf seiner Seite hat. Statt nun endlich den Ton zu mäßigen, wird Italiens Regierungschef die Auseinandersetzung mit Justiz und Opposition weiter verschärfen. Und der demokratische Ausnahmezustand, in dem sich Italien befindet, wird andauern, bis die Italiener Berlusconi endlich abgewählt haben.

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