„Keine Vereinigten Staaten von Europa“

Ungarns Konventsvertreter Péter Balázs fordert Grenzen für die EU-Integration und lehnt Mehrheitsentscheidungen bei der Außenpolitik ab

taz: Die Regierungschefs haben den Konventsmitgliedern aus den Kandidatenländern keinen gleichberechtigten Status zugestanden. Die Hoffnung war, dass im Kreis der alten EU eine Reform leichter zu erreichen sei.

Péter Balázs: Es gibt keinen sichtbaren Unterschied zwischen alten und neuen Mitgliedern. Der Konvent teilt sich eher in kleinere und größere Mitgliedsstaaten – die Benelux- und die Visegrad-Staaten arbeiten zum Beispiel besonders gut zusammen. Aber selbst wenn es Meinungsverschiedenheiten gäbe: Wir müssen volles Mitspracherecht bekommen, es geht schließlich auch um unsere politische Zukunft.

Glauben Sie nicht, dass durch ein stärkeres Gewicht der Beitrittsländer die gemeinschaftliche Methode weniger Chancen hat, weil die Osteuropäer die junge Souveränität nicht gleich wieder an Brüssel verlieren wollen?

Alle sind an einer leistungsfähigen EU interessiert. Die meisten sind an Demokratie interessiert – sie wollen die gleichen Rechte für alle Mitgliedsstaaten. Man kann andererseits auch verstehen, dass die sechs größeren Länder nicht von den 19 Kleineren überstimmt werden wollen. Deshalb hat Ungarn 12 Stimmen im Rat, Deutschland hingegen 29.

Viele Konventsmitglieder verbinden mit Demokratie eher ein übersichtliches Machtgefüge oder öffentliche Ratssitzungen.

Aber es gibt symbolische Elemente, zum Beispiel, dass jedes Land einen Kommissar stellt, oder dass – in verbesserter Form – die rotierende Ratspräsidentschaft bleibt, die für die kleinen Länder wichtig sind. Wir wollen auch keine Mehrheitsentscheidungen bei der Änderung von Kompetenzen, bei der Aufnahme neuer Mitglieder, bei wichtigen Entscheidungen der Außenpolitik … Es muss eine gute Mischung aus gemeinschaftlichen und zwischenstaatlichen Elementen geben. Die Integration wird nicht unendlich weitergehen bis hin zu den Vereinigten Staaten von Europa. In der nationalen Vielfarbigkeit besteht der Charme Europas.

Glauben Sie denn, nach der jetzigen Erweiterungsrunde ist Schluss?

Ich rechne mit weiteren Beitrittskandidaten. Die Balkanländer werden einander folgen. Deshalb halte ich es für besonders wichtig, für die erweiterte Union eine neue Nachbarschaftspolitik zu entwickeln. Für uns Ungarn ist das sehr bedeutsam, weil wir ein Grenzland der großen EU werden. Europa befindet sich in einer völlig neuen historischen Situation. Zum ersten Mal ist die EU nicht von allen Seiten eingeschlossen – auf drei Seiten vom Meer und nach Osten zu vom Eisernen Vorhang.

Wann schickt Ungarn seinen Außenminister in den Konvent?

Ich glaube, dass der Konvent immer arbeitsintensiver wird. Man muss sich darauf konzentrieren können. Ich bin ein Staatssekretär für EU-Fragen und muss mich schon organisieren, damit ich an allen Sitzungen teilnehmen kann. Wenn ich mir den Zeitplan meines Ministers vor Augen führe, der gleichzeitig Parteivorsitzender ist – er hätte keine Zeit dafür.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER