Weißer Rauch aus Hannover

Nach monatelangen Verhandlungen verpflichtet sich Hannovers Schauspielintendant Wilfried Schulz bis 2010. Dabei trotzte er dem Land 1,5 Millionen Euro zusätzlich ab

Seit dem Sommer haben sie in Konklave getagt, vor Weihnachten sogar Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit in die Verhandlungen mit einbezogen. „Haben Sie doch Vertrauen!“, soll der zu Wilfried Schulz gesagt haben. Nach langem Gezerre, Gezeter und Gedrohe ließen Schulz und Kultusminister Lutz Stratmann (CDU) gestern vor Journalisten weißen Rauch von der Bühne des hannöverschen Petersdoms – vulgo Schauspielhaus – aufsteigen.

Habemus Schulz! Anders als der ewige Papst will sich der Woody Allen-hafte Schauspielintendant nun bis 2010 in Hannover verpflichten, anstatt 2005 aufzuhören. Natürlich gibt es auch einen Absatz im Vertrag, der Schulz den Ausstieg zusichert, sollte – Vertrauen hin oder her – eine Spielstätte in Hannover geschlossen werden. Eine ziemlich dehnbare Klausel: Schulz kann, wenn er will, schließlich selbst auf die Schließung eines Hauses hinarbeiten, falls ihn doch der Ruf zur Nachfolge Claus Peymanns am Berliner Ensemble ereilen sollte.

Aber wer weiß, was bis 2008 passiert. Erst mal hat Schulz hoch gepokert – und gewonnen. Es wäre für den Intendanten „ein Leichtes gewesen, in Europa oder sogar vielleicht sogar darüber hinaus eine vergleichbare Betätigung zu finden“, schmeichelte Minister Stratmann und rühmte die “persönliche Ebene“, die er inzwischen mit Schulz gefunden habe. Der kommentierte diese Ebene nicht. Lieber betonte er, dass er Gespräche über einen Wechsel nach Zürich geführt, weitere Anfragen aus Bochum und Hamburg sogar abgelehnt habe. Diese Häuser seien für ihn „nicht relevant gewesen“.

Schwamm drüber. Immerhin rang der Intendant Stratmanns Etat zusätzlich 1,5 Millionen Euro bis 2006 ab, um das „Niveau des Hauses zu gewährleisten“. Das heißt für Schulz, dass das experimentelle und Jugendtheater an der Spielstätte Ballhof erhalten bleiben soll. Und auch das reicht noch nicht: Schulz setzt auf die Hilfe der lokalen Wirtschaft und will noch im Februar einen Förderverein gründen. Von den 930 Mitarbeitern bei Schauspiel und Oper müssen dennoch 70 gehen.

„Persönlich berührt“ – es gibt also doch weiche Faktoren in Schulzens Entscheidung – habe ihn auf jeden Fall die „Solidarität von der Schulklasse bis zu Elfriede Jelinek und Oskar Negt“. So freute sich Schulz über den alltäglichen Zuspruch von verschiedenen Seiten: „Samstags auf dem Weg zum Fleischer bin ich zehn bis 15 Mal angesprochen worden, weiterzumachen.“ Einem entscheidenden Mann hat der Intendant trotz allem nicht verziehen: Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Für dessen Spruch, er wolle „das Staatstheater auf hohem Niveau konsolidieren“, findet Schulz bis heute nur einen Ausdruck: „zynisch“.

Kai Schöneberg