Armer Nahverkehr

Spargesetze von Bund und Ländern gefährden Job-Ticket und Verkehrsangebot. Höhere Beiträge für Schülerbeförderung drohen

Gefährdet ist das laut HVV-Angaben erfolgreichste Job-Ticket-Modell

von GERNOT KNÖDLER

Die mit dem neuen Jahr in Kraft getretene Steuerreform geht zum Teil zu Lasten des öffentlichen Nahverkehrs. Nach dem, was Bund und Länder Ende Dezember im Vermittlungsausschuss auskungelten, wird es in Zukunft wahrscheinlich weniger Job-Tickets geben. Die Länder werden möglicherweise ihr Nahverkehrsangebot einschränken müssen und die Eltern mancherorts höhere Beiträge für den Schulbus ihrer Kinder bezahlen müssen.

Nach dem Kompromiss zur Steuerreform wird der Bund den Ländern einmalig zwei Prozent weniger von dem Geld zur Regionalisierung des öffentlichen Schienenverkehrs überweisen. Das heißt, die Länder haben weniger Möglichkeiten, Verkehrsunternehmen mit dem Bedienen defizitärer Strecken zu beauftragen.

„Wir haben mit dem Fahrplanwechsel 2003 erstmals unser Verkehrsangebot ausgedünnt“, sagt Dennis Fiedel von der Landesweiten Verkehrsservice-Gesellschaft Schleswig-Holstein (LVS). Wenn jetzt weitere zwei Prozent der Einnahmen wegfielen, müsse man sich überlegen, wo gespart werden könne – „ein Problem, für das wir noch keine Lösung haben“, räumt Fiedel ein. Die Kürzung gefährde Projekte, wie die Ausweitung des Schleswig-Holstein-Tarifs von den Bahnen auf die Busse.

Aus Sicht des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) besonders unglücklich ist der Wegfall der Steuerbefreiung für Fahrtkostenzuschüsse: Der Betrag, mit dem Unternehmen ihren Mitarbeitern den Kauf einer HVV-Monatskarte versüßen, wird jetzt als Teil des Einkommens gewertet – und entsprechend versteuert. „Es ist theoretisch möglich, dass ein Arbeitgeber den Zuschuss zurücknimmt oder kürzt, weil er ja auch Sozialabgaben zahlen muss“, sagt HVV-Sprecherin Gisela Becker.

Die Änderung gefährdet das nach Angaben des HVV erfolgreichste Modell des Job-Tickets, bei dem die Unternehmer pro Monatskarte 10,23 Euro zuschießen. Dieses Ticket kommt die Arbeitnehmer am billigsten und daher am besten an. Weitere Varianten des Job-Tickets basieren darauf, dass entweder mindestens 50 oder 100 Prozent der Belegschaft per Großkundenabonnement ein Job-Ticket kaufen und dafür eine Ermäßigung erhalten.

Den Schüler- und Ausbildungsverkehr werden die Länder bis 2006 stufenweise um vier, sechs und zwölf Prozent weniger subventionieren. Der Vermittlungsausschuss musste hier tätig werden, weil die Zahlungsverpflichtung in Bundesgesetzen festgeschrieben ist. Mit dem Geld werden die Vergünstigungen bezahlt, die die Verkehrsunternehmen Schülern und Auszubildenden gewähren. Für den „Restbetrag“ eines solchen Ausbildungstickets müssen die Städte und Kreise aufkommen. In Schleswig-Holstein können sie Elternbeiträge erheben, in Niedersachsen nicht.

Jetzt muss im Einzelfall ausgehandelt werden, ob das Verkehrsangebot verschlechtert wird oder ob jemand für das Defizit aufkommt: seien es die Städte und Kreise, die Eltern oder die Verkehrsunternehmen. Der HVV will, so Becker, zwar eine Tariferhöhung vermeiden. Jedoch sei „nicht auszuschließen“ dass Verkehrsunternehmen sich um eine solche bemühten.