HANAU: EX-OBERBÜRGERMEISTERIN HÄRTEL IST GLIMPFLICH WEGGEKOMMEN
: Ein Charakter ist nicht justiziabel

Vordergründig gehört es nicht zu den Aufgaben einer Strafkammer an einem Landgericht, den Charakter eines Delinquenten zu beurteilen und danach das Strafmaß auszurichten – auch wenn sich das die meisten Besucher des neu aufgerollten Strafverfahrens gegen die abgewählte Hanauer Oberbürgermeisterin Margret Härtel wünschten. Doch gegen die Zahlung einer geringen Geldbuße wurde das Verfahren gegen die gestern angeblich kränkelnde ehemalige Rathauschefin eingestellt.

Dabei griff sie wiederholt ungeniert in die Kasse der Kommune und erachtete ihren Dienstwagen samt Chauffeur als Privateigentum. Zudem mobbte sie mit der Mentalität einer Festzeltwirtin oft und gerne ihre engsten Mitarbeiter. Die dabei von ihr verwendeten Verbalinjurien machten sie bei den Bürgerinnen und Bürgern von Hanau auch nicht sympathischer. Im Mai 2003 wurde sie mit einer Mehrheit von knapp 90 Prozent der Stimmen abgewählt.

Das Gericht jedoch hatte nur das strafrechtlich relevante Fehlverhalten herauszufiltern und zu bewerten. Viel blieb danach nicht übrig: ein paar private Restaurantquittungen, die sie über die Stadtkasse abrechnete, und ein privates Geburtstagsgeschenk im Wert von rund 1.000 Euro, die ihr gleichfalls „erstattet“ wurden. Welche Beweismittel genau sie ihren Fahrer verbrennen ließ, konnte das Gericht nicht klären. Deswegen lag es nahe, das Verfahren mit einer Einstellung zu beenden. Mehr als eine Geldbuße nämlich hätte Härtel für ihre Vergehen auch nach einer ordentlichen Verurteilung nicht zu erwarten gehabt. Dann allerdings wäre sie vorbestraft gewesen – mit negativen Auswirkungen auf die Pension.

Die Medienschelte aber wegen angeblicher Vorverurteilungen Härtels hätte sich der Richter sparen können. Denn alles, was über die Frau in den Zeitungen stand, war wahr. Nach der Einstellungsverfügung war Härtel plötzlich wieder putzmunter. Ihr Anwalt kündigte an, dass sie jetzt ihre Abwahl durch die Hanauer Bürgerschaft anfechten werde. Ihr Charakter ist eben nicht justiziabel.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT