Kein Geld für Patchworker?

Zehn Kinder wollten sich heute bei der Trennungs- und Scheidungsgruppe über ihre Familiensituation austauschen. Der Termin fällt aus: Die Finanzierung ist unklar. Die Sozialbehörde ächzt unter der Sparquote, sagt aber, sie werde das Projekt erhalten

taz ■ Manche Geldtöpfe haben tolle Namen. Einer heißt „Innovative Produkte“, und es geht dabei nicht um drahtlose Kommunikation. Oder irgendwie doch. Es geht um Projekte die sich um Familien kümmern, die mit neuen Ansätzen arbeiten, die in eine Lücke stossen und dabei gute Arbeit machen – so wie das „Tusch“. Die Trennungs- und Scheidungsberatung bietet an zwei Orten, in Walle und im Bürgerhaus Weserterrassen Gruppen für Trennungskinder an. Doch während in Walle die Förderung über den Topf „Soziale Gruppenarbeit“ gesichert ist, droht es im Viertel an 3.000 Euro zu scheitern.

Schuld ist der Topf mit dem tollen Namen. Es soll ihn womöglich gar nicht mehr geben. „Dabei wird das Angebot sehr gut angenommen“, ärgert sich die Psychologin und Familientherapeutin Ini Friedrich. Sie ist angestellt bei der Familienwerkstatt der Werkschule Scholen, „und wir haben seit vier Jahren für jede Gruppe mehr als genügend Anmeldungen.“ Kein Wunder. Jede dritte Ehe bricht. In Bremen sind ‚ganze‘ Familien mit einem Anteil von 17 Prozent an allen Haushalten quasi eine Randgruppe. Für die Gruppe in den Weserterrassen kreisen nun zehn Kinder in der Warteschleife. Felix* zum Beispiel. Er ist beinahe sieben und sein Vater wohnt seit einem Jahr mit einer neuen Frau und deren Sohn zusammen. „Es fällt ihm schwer, mich zu teilen“, erzählt der 40-jährige Konrad Manz* der durch die Gruppe auch auf einen besseren Kontakt zur Mutter seines Sohnes hofft, „denn bei uns geht es rapide auf und ab“. Die BetreuerInnen wenden sich zwar eigentlich radikal der Kinderwelt zu. Aber natürlich finden auch Gespräche mit den Eltern statt.

Konrad Manz’ Stiefsohn hat auch schon Erfahrungen in der Trennungskindergruppe gemacht – sehr gute, sagt Manz. Der ist jetzt beinah acht und hat seinen Vater mit zwei Monaten zuletzt gesehen. Der Junge, nennen wir ihn John, hat seine ersten Jahre in Irland verbracht bevor er mit seiner Mutter nach Deutschland zog und schließlich zu seinem Steifvater Konrad. Jetzt plötzlich packte ihn die Sorge um seinen leiblichen Daddy. Ist er krank, lebt er überhaupt noch? Wie geht es ihm?

In der Ternnungskindergruppe hat er dann den Entschluss gefasst, seinem Vater zu schreiben. Die Mutter hat ihn, der inzwischen in England lebt, ausfindig gemacht. Jetzt schreiben sich Vater und Sohn alle paar Wochen. Konrad und Johns Mutter übersetzen die Briefe. „Ein Treffen gab es noch nicht, weil der Vater kein Deutsch spricht“. Aber John ist motiviert, Englisch zu lernen.

Eine Geschichte wie aus dem therapeutischen Bilderbuch. „Trennungskinder übernehmen oft sehr früh Verantwortung“, sagt Ini Friedrich, „sie haben Schuldgefühle, denken, die Eltern hätten sich ihretwegen getrennt.“ In der Gruppe geht es darum, ihnen diese Last zu nehmen, klar zu machen, wo das Problem liegt: bei den Eltern. „Aber es geht auch darum, das Positive an der Situation zu entdecken“, so Friedrich: Zwei Kinderzimmer, zweimal Weihnachten, weniger Streit oder eben einen Papa, für den man Englisch lernt.

Was für John gut war, könnte auch Felix helfen, mit seiner Patchwork-Familie besser klar zu kommen. An der Qualität der Gruppen zweifelt auch im Amt niemand. Joachim Kuhlmann, Sachgebietsleiter „Junge Menschen“ koordiniert die Mittel für alle Kinder- und Jugendeinrichtungen in diesem Teil der Stadt. „Die Jugendhilfe-Mittel wurden im letzten Jahr überzogen und wir wissen nicht, wie die Amtsleitung mit dieser Situation umgeht“, fasst er die auch für ihn unklare Situation zusammen. Zudem geht der Plan der Behörde, Mittel aus den ‚Hilfen zur Erziehung‘ umzuschichten, offenbar nicht auf: Das Geld ist komplett in Einzelfällen gebunden. Für Vorsorge, wie sie das „Tusch“ betreibt, bleibt da kein Geld. Auf Nachfrage der taz erst kommt etwas Klarheit in die Angelegenheit. „Wir haben zwar in diesem Bereich große Probleme“, so der Sprecher des Sozialsenators Jörg Henschen, „aber wir führen dieses Projekt auf jeden Fall weiter.“ Die Psychologen und vor allem die Kinder werden sich freuen, das zu hören. Elke Heyduck

*Namen von der Red. geändert