Jeden Tag aufstehen wie ein Hesse

Noch-Ministerpräsident Roland Koch will durchstarten, ohne uns etwas zu sagen

Später gibt es nur nochgut verdienende undihr Geld treu wieder verschleudernde Arbeiter

Eine ungeahnte Aufbruchsstimmung hat die Frankfurter Börse erfasst! Überall blühen vorzeitig die Krokusse, und Insider reden metaphorisch vom bevorstehenden Ausbruch des Vogelsberges – des größten europäischen Flächenvulkans – seit Roland Koch, das designierte gesamtdeutsche Staatsoberhaupt, durchblicken ließ, welchen Schatz er für das Gemeinwohl zu heben gedenkt: „Es ist nicht so, dass wir am Ende wären. Wir sehen, dass in den letzten […] Monaten auf den privaten Sparkonten […] 200 Milliarden Euro überproportional gespart worden sind – […] Geld, das man jederzeit abrufen kann.“ In knapp vier weiteren Jahren des ängstlichen Konsumverzichts unter Rot-Grün werden es 1.000 Milliarden Euro sein, und nach den gewonnenen Wahlen 2006 wird der schwarze Kanzler Koch fordern: Heraus aus dem gesamtdeutschen Sparschwein und auf den Tisch damit!

Kochs Wirtschaftsidee besteht in einem simplen Regelkreis von Vollbeschäftigung und Konsumzwang. Schon bald soll es in Hessen, später in der Gesamtrepublik, nur noch gut verdienende und ihr Geld treu wieder verschleudernde Arbeiter geben. Alle sparsamen, vorsichtigen und faulen Arbeits- und Konsumverweigerer werden peu à peu über sichere Drittländer abgeschoben. „Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir jemanden verhungern oder unter freiem Himmel nächtigen lassen.“ Wohl aber, dass „Erwachsene, die die Arbeit […] verweigern, davon ausgehen müssen, dass ihre Gründe sehr genau überprüft werden.“

„Zuerst kommt Hessen!“, sagt Koch. Was aber kommt dann? Was wird mit dem gehobenen Volksvermögen, jenem 1.000 Milliarden Euro schweren Nibelungenhort, geschehen, wenn Frankfurts Industrie-„Cluster“ erst einmal brummen? Ein unter dem Titel „Rheingold“ kursierendes Papier sieht vor, das Strukturmodell des in Analystenkreisen „Material Valley“ genannten Rhein-Main-Gebiets tendenziell auf ganz Deutschland auszuweiten. Mit einer nationalen Anstrengung unerhörten Ausmaßes soll bald zukunftweisende Hochtechnologie jene Ödnis überziehen, die vormals Nichthessen hieß. Vor Berliner Futurologen ließ Koch unlängst verlauten: „Dass wir heute Morgen so viele hier im Raum sind, ist ein Zeichen dafür, dass es Menschen gibt, die bereit sind, aufzustehen. Und es wird nicht bei einem Tag bleiben.“ Das ist einsichtig, denn auch Rom wurde bekanntlich nicht an einem Tag erbaut.

Heute, da die Sonde Pioneer 10 das Sonnensystem verlässt, wird das Jahr 2025 als Ziel genannt, den letzten nutzbaren deutschen Quadratmeter mit Hochtechnologie made in Hessen zu bestücken. Experten sehen darin keinen Zufall, hat doch die europäische Raumfahrtbehörde für jenes Jahr eine bemannte Marsmission angekündigt. Weder zur Macht- noch zur Unmutsdemonstration reicht es mehr, jemanden auf den Mond zu schießen.

Doch es sind starke Zweifel an einem reibungslosen Aufgehen eines künftigen Hessen-Deutschlands in Europa angebracht. Sehr ernst müssen die Beobachter genommen werden, die in der Beteiligung von hessischer Hochtechnologie am Weltraumerfolg der Chinesen ein Eschborner Sternensignal in Richtung Osten sehen, das für Europa Alarm bedeutet! Die Raumkapsel „Shenzhou IV“, die fast 100-mal die Erde umrundete, flog angeblich 50 Mal zu Prüf- und Abgleichzwecken über den Großen Feldberg auf hessischem Hoheitsgebiet. Bei der chinesischen Raumfahrtbehörde im Raumfahrtzentrum Jiuquan in der Wüste Gobi wollte man die Existenz eines Raumfahrtpaktes zwischen Wiesbaden und Peking zwar nicht bestätigen. Kaum grundlos jedoch dürfte die staatliche Nachrichtenagentur „China News“ bereits wiederholt auf die guten technologischen Beziehungen der beiden „Volksrepubliken“ hingewiesen haben.

Was bringt uns das Morgen, wenn die Deutschen aufgestanden sind wie ein Hesse? Kommen einige der künftigen „Taikonauten“ aus Eschborn? Wird es Hessionauten geben? Heißt Deutschland bald „VR Hessen“? Tragen wir alle blaue Hessenkittel in einer gesamtdeutschen Frühschicht? „Wir müssen nicht in einer Depression sein, wir können uns wehren!“, sagt Roland Koch, der arbeitende und konsumierende Heerscharen in eine azurblaue Zukunft zu führen gedenkt. „Regierung muss Menschen nicht betrügen, um gewählt zu werden. Ich behaupte, man darf Menschen nicht betrügen, um gewählt zu werden!“ Roland Koch sollte ruhig zu diesen seinen Worten stehen und uns die geplante künftige Zusammenarbeit mit der VR China nicht länger verschweigen!

TOM WOLF