Meyers letzter Sieg

Mönchengladbachs Trainer schmeißt nach dem 2:2 gegen Schalke prächtig inszeniert die Brocken hin. Nachfolger ist ein alter Bekannter am Bökelberg: der zuletzt dauererfolglose Ewald Lienen

vom Bökelberg BERND MÜLLENDER

So ist er, der Hans Meyer. Anders eben. Sehr anders. Listig lächelnd, den Schalk wie immer im Nacken, scherzte er nach dem 2:2 gegen Schalke 04 noch über das Spiel, die sportliche Zukunft, den kleinen Aufschwung im Spiel seiner Notelf und seine besonderen Lieblingsfreunde, die Boulevard-Medien. Allein, wie der 60-Jährige mit kondomzartem Unterton den Begriff „Fachblatt Sportbild“ aussprach, war ein Genuss.

Und Meyer hatte über sich selbst gesagt, scheinbar spekulativ: „Wenn ich Zweifel an mir haben sollte, setzen wir uns im Verein sofort an einen Tisch, nehmen vielleicht noch jemanden von der Bild-Zeitung dazu, und trennen uns.“ Der Seniorschelm Meyer gut gelaunt, ganz der Alte – alle haben gelacht. Dann ging er lächelnd fort – um sich an den Tisch zu setzen. Und trennte sich. Nur Bild war nicht dabei.

Genervt hatten ihn die Querelen zuletzt, verletzt auch, vor allem der heftige, offene Zwist mit Markus Münch und Marcel Witeczek (Sportdirektor Christian Hochstätter: „Die faulen Äpfel müssen weg“), die angeblich gegen Meyer intrigiert hatten, in Tatgemeinschaft mit dem Vierbuchstabenblatt. Aber beim Abgang wollte Meyer noch mal der große Sieger sein. Es ist dem witzigsten, schlagfertigsten und intelligentesten Fußballcoach seit Erfindung des Trainerscheins brillant gelungen.

Nach dem intensiven Kampf- und Krampfspiel waren alle brav nach Hause gegangen. Mit dem „leistungsgerechten 2:2“ (Meyer) war auch Schalke-Kollege Frank Neubarth „durchaus zufrieden“ gewesen. Alle waren sicher: Für Hans Meyer war es ein ÜU: ein Überlebensunentschieden. Um 20 Uhr 38, kurz nachdem die Weisheiten des Spieltags am Fernsehboulevard „ran“ abgearbeitet waren, kam dann die Eilmeldung: Meyer habe, so Sportchef Hochstätter, „aus persönlichen Gründen“ und keineswegs spontan um Beurlaubung gebeten. Und er fügte mit fast meyerischem Lächeln hinzu, der Trainer habe sich so „einen würdigen Abschied verschafft“. Die genasführten Pressemenschen konnten wieder zurückeilen an den Bökelberg.

Hinter den Kulissen war das Szenario der Trennung unbemerkt längst durchgespielt, zwischen Vereinsführung, Meyer und dem genauso überraschenden Nachfolger. Ewald Lienen (49), vor einem Jahr beim 1. FC Köln entlassen und zwischenzeitlich auch in Teneriffa in Spaniens Zweiter Liga gescheitert, war gleich nach dem Match von Hochstätter angerufen worden. Lienen, der, auch das wusste niemand, Meyer im Sommer sowieso ablösen sollte, habe am Telefon gleich zugesagt und war nach Gladbach geeilt.

Es war die harmonischste Stabübergabe der Ligageschichte. Im Laufe des Abends sah man Vorgänger und Nachfolger plaudernd und scherzend wie gute Kumpels. Gestern Mittag wurde Lienen dann offiziell vorgestellt. Er glaubt, die Elf habe „genügend Potenzial, den Klassenverbleib zu schaffen“. Entscheidend für den Gewissensmenschen Lienen sei gewesen, „dass es eine saubere Lösung mit Hans Meyer“ gegeben habe.

Vor Meyers Selbstinszenierung war am Bökelberg Heimattheater aufgeführt worden. Nach Ketelaer und Felgenhauer hatte der knorrige Ostkauz in der Vorwoche die gewesenen Stammkräfte Markus Münch und Kapitän Marcel Witeczek aussortiert. Der Trainer hatte Münch taktischen Ungehorsam vorgeworfen. Meyer: „Ich weiß bei ihm nie, ob er Lust hat.“ Seit Samstagabend wissen wir, das auch das ein chiffrierter Satz war, der eigentlich hätte heißen müssen: „Ich weiß nicht, ob ich noch Lust habe.“

Meyer wird der Liga fehlen. Sätze wie: „Meistens verstehen die wichtigsten Leute im Klub nichts von Fußball“, hat kaum wer sonst hingekriegt. Oder Schocker wie „Von Hause aus bin ich Kommunist“, was 1999, zu Beginn seiner Tätigkeit im bieder-konservativen Mönchengladbach, schwer schreckte. Und der erfolgreiche ehemalige DDR-Vereinscoach sagte nach seiner Premieren-Niederlage: „Tja, der Trainerwechsel hat wohl nichts gebracht.“

Meyers Pressekonferenzen waren immer kleine Charme-Mützel mit den Medien. Mal war der Aufstiegstrainer erfrischend zynisch, mal herzenswarm, mal alles zusammen oder kurz nacheinander. Meyers Masche: Spaßige, intelligente Unberechenbarkeit. Spieler Marcel Ketelaer hatte einmal gesagt, wahrscheinlich sei sein Trainer „der Einzige, der immer weiß, ob das nun ernst gemeint war, was er sagt, oder nicht.“ Aber auch das sei nicht immer sicher.

Borussia Mönchengladbach: Stiel - Eberl, Pletsch, Strasser, Embers - Demo, Kluge (82. Schlaudraff), Ulich - Aidoo (72. Korzynietz), van Lent, Forssell (82. Skoubo)FC Schalke 04: Rost - Oude Kamphuis, Hajto, Waldoch, van Kerckhoven - Kmetsch, Poulsen - Varela, Vermant - Hanke, Sand (42. van Hoogdalem)Zuschauer: 32.900; Tore: 0:1 Waldoch (26.), 1:1 Kluge (57.), 1:2 Hajto (65.), 2:2 Demo (69.)