Mehr Worte als Taten

Nachhaltigkeit in Unternehmen: Wie reagieren Top-Manager auf die Herausforderung an ihre Führungsverantwortung? Eine Untersuchung zeigt, dass wohl noch manches im Argen liegt

In Sachen sozialer Verantwortung von Unternehmen (corporate social responsibility – CRS) herrscht allgemein viel guter Wille. Doch lässt die Umsetzung noch zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Global Corporate Citizenship Initiative (GCCI). Sie wurde 2001 in Genf gegründet und setzt sich überwiegend aus dem Teilnehmerkreis des alljährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforums zusammen.

Die Untersuchung stützt sich vor allem auf eine Befragung von 40 der an GCCI beteiligten Vorstandsvorsitzenden, die Unternehmen aus 16 Ländern und 18 verschiedenen Branchen repräsentieren. Titel: „Wie Top-Manager auf die Herausforderung an ihre Führungsverantwortung reagieren“. 2002 war in einer Vorgängerstudie diese Herausforderung definiert worden: Die Verpflichtung von Unternehmen, bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten soziale und ökologische Belange zu berücksichtigen und den offenen Dialog mit der Gesellschaft zu suchen. Anders ausgedrückt: die Notwendigkeit, Vertrauen zu schaffen.

„Vertrauen schaffen“ lautete denn auch das Thema des Weltwirtschaftsforums, zu dem sich vor nunmehr vier Wochen vom 23. bis 28. Januar im Schweizer Davos die internationale Wirtschaftselite einfand. Der enorme Sicherheitsaufwand, der die Konferenz begleitete, bot dazu eine passende Kulisse. Dort wurde der neue GCCI-Bericht vorgestellt und damit bilanziert, was von den Bekenntnissen der letzten Jahre nunmehr tatsächlich in den Unternehmen umgesetzt worden ist.

Die Umfrage ergab, dass sich die Vorstandschefs im Allgemeinen zur sozialen Verantwortung ihres Unternehmens bekennen und sie selbst wahrnehmen wollen. Nach ihren Angaben befasst sich in den meisten Unternehmen ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats mit der Erweiterung des sozialen und ökologischen Engagements. Und weil die Befragten fast ausnahmslos darin eine Herausforderung für das gesamte Unternehmen sehen, wollen sie die interne Kommunikation über CRS fördern.

Die Studie bezieht jedoch auch andere Quellen als diese Umfrage in die Untersuchung mit ein, und diese offenbaren einen weiterhin großen Handlungsbedarf. So zum Beispiel die Statistiken der Research-Tochter von SAM (Sustainable Asset Management). Diese unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Hauptsitz in Zürich entwickelt und verwaltet Finanzprodukte für nachhaltige Investments. Zusammen mit Dow Jones & Company hat sie den ersten globalen Nachhaltigkeitsindex DJSI (Dow Jones Sustainability Index) lanciert. SAM Research Inc. hat 2002 für den DJSI ein Screening durchgeführt und dabei weltweit 1.336 Unternehmen untersucht. Mit dem Ergebnis, dass lediglich bei rund 30 Prozent dieser Gesellschaften der Vorstand formal für Nachhaltigkeit und CSR verantwortlich ist. Und nur bei 16 Prozent der Unternehmen wurde damit eigens ein Vorstandskomitee beauftragt.

Die Autoren der Studie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für viele der befragten Vorstandsvorsitzenden noch immer nicht ausreichend belegt ist, dass ein Zusammenhang besteht zwischen CSR und dem Börsenkurs beziehungsweise dem Profit eines Unternehmens. Nun will das Schweizer Finanzinstitut UBS diesen Nachweis erbringen, wie dessen Präsident Marcel Ospel, ein Mitglied des GCCI, gegenüber dem Informationsportal SocialFunds.com erklärte.

UBS lässt demnach zum einen untersuchen, inwiefern sich bestimmte Ereignisse auf die Börsenkurse auswirken. Zum anderen, inwiefern die Hauptinvestoren bei UBS in ihren Investitionsentscheidungen davon beeinflusst werden, wie sich die Unternehmensführung gegenüber der Gesellschaft verhält.

Die in der GCCI-Studie angeführten Zweifel stehen in merkwürdigem Gegensatz zu den Ergebnissen einer Untersuchung, die das Weltwirtschaftsforum 2002 bei der renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers in Auftrag gegeben hatte. Ihr zufolge gaben sich 79 Prozent von 992 befragten Vorstandschefs aus 43 Nationen davon überzeugt, dass es sich positiv auf den Profit auswirkt, wenn ein Unternehmen seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt. 71 Prozent zeigten sich sogar bereit, zu Lasten kurzfristiger Erfolge Nachhaltigkeitsprogramme zu installieren, um dadurch auf lange Sicht den Wert ihres Unternehmens zu erhöhen.

Offenkundig werden aus dieser Einschätzung aber bislang nur zögernd Konsequenzen gezogen. Der Studie zufolge haben einige Unternehmen Mechanismen entwickelt, die es den Vorstandschefs nahe legen, etwaige Zweifel und Bedenken zu überwinden und ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Bei ihnen wirkt sich die Umsetzung der CSR nämlich unmittelbar auf das Gehalt der Verantwortlichen aus. Beispielsweise bei Statoil, dem norwegische Erdöl- und Erdgaskonzern. Das Unternehmen ging erst 2001 an die Börse und hat dann 2002 seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt.

Wenn der Vorstandsvorsitzende Olav Fjell seinen Jahresbericht vorlegt, so muss er nachweisen, wie es in dem Unternehmen um den Umweltschutz, den Arbeitsschutz, die Gesundheit und die Zufriedenheit der Belegschaft bestellt ist. Nach diesen Ergebnissen bemisst sich zu einem wesentlichen Teil, was ihm an Jahresbonus gezahlt wird. So sieht es sein Vertrag vor.

Bei vielen anderen Unternehmen haben Aktionärsinitiativen inzwischen ähnliche Regelungen beantragt, unter anderem bei Wal-Mart oder der Citigroup. Sollten diese Beispiele Schule machen, wird der nächsten Weltwirtschaftsgipfel vielleicht eine sehr viel positivere Bilanz ziehen können. JÜRGEN RÖTTGER

„Responding to the Leadership Challenge: Findings of a CEO Survey on Global Corporate Citizenship“. Der Bericht kann unter www.weforum.org kostenlos heruntergeladen werden.