Deutschland isoliert sich bei Tabakpolitik

WHO verabschiedet Anti-Tabak-Konvention trotz deutscher Einwände. Der Kompromisstext ist umstritten und könnte weiter verwässert werden

von PHILIPP DUDEK

Ungeachtet der Einwände der USA und Deutschlands haben sich am Samstag Unterhändler von mehr als 170 Ländern auf eine Anti-Tabak-Konvention verständigt. Die vorgestellte „Rahmenkonvention gegen das Rauchen“ ist völkerrechtlich bindend: Sie soll den Tabakkonsum und die Rauchbelästigung für Nichtraucher einschränken. Der Vorschlag eines weltweiten Werbeverbots scheiterte jedoch.

Der nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen zustande gekommene Kompromiss stellt das Verbot und die Einschränkung von Tabakwerbung auf eine Stufe. Alle Mitgliedsländer sollen jetzt Verkaufsverbote an Jugendliche, Gesundheitshinweise auf den Verpackungen und ein vollständiges Werbeverbot für Tabak durchsetzen. Länder, deren Verfassung diesen letzten Schritt verbietet, sollen die Tabakwerbung einschränken. Offenbar ist der deutschen Delegation selbst dieser Kompromiss aber noch nicht zahnlos genug. Sie kündigte an, dass die Bundesrepublik so nicht zustimmen könne. In einer Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums hieß es, die Bundesregierung bezweifle, dass ein generelles Verbot von Tabakwerbung ein geeignetes Mittel der Prävention sei.

„Diese Haltung ist politisch unverantwortlich und aus gesundheitlicher Sicht nicht zu akzeptieren“, sagte Johannes Spatz vom Forum Rauchfrei in Berlin. Es gebe Studien, die nachweisen, dass der Tabakkonsum durch ein umfassendes Werbeverbot um 8 Prozent zurückgehen könne. „Rund 10.000 Menschen weniger würden so jährlich am Tabakkonsum sterben“, sagte Spatz.

Tatsächlich scheint sich schon mit dem Kompromisstext die Befürchtung vieler Verbraucherschützer zu bewahrheiten, in Zukunft könne sich die Beschränkung der Tabakwerbung in vielen Ländern allein auf eine Selbstverpflichtung der Tabakindustrie beziehen. Solche Richtlinien existieren in Deutschland bereits seit 1966. „Und seit über dreißig Jahren können der Tabakindustrie Verstöße gegen diese Richtlinien nachgewiesen werden“, sagte Spatz. Eine Selbstverpflichtung sei absolut nutzlos. „Es wäre verheerend, wenn deutsche Tabakpolitik zum Weltstandard würde.“

Die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation WHO will die Konvention im Mai verabschieden. Mindestens 40 Länder müssen sie ratifizieren, damit sie in Kraft tritt. Es ist allerdings zu befürchten, dass im Vorfeld Nachverhandlungen zum Tabakwerbeverbot durchgesetzt werden, die das Abkommen noch weiter verwässern.

Schon vor der Abstimmung am Freitag hieß es aus Delegationskreisen in Genf, das Verhalten der deutschen Delegation sei „unglaublich peinlich“. Deutschland agiere für die Tabakindustrie und isoliere sich mit seiner Haltung zunehmend innerhalb der EU und weltweit.

Im Oktober hatten sich etwa 100 Staaten für ein vollständiges Verbot von Tabakwerbung ausgesprochen. „Um so unglaublicher ist es, dass sich Deutschland so vehement gegen die Weltmeinung stellt“, sagte Spatz. Die Regierung handle auch gegen die Meinung der eigenen Bürger. „Es gibt Umfragen, wonach sich über 60 Prozent der Befragten für ein absolutes Werbeverbot ausgesprochen haben“, so Spatz.

Nach Angaben der WHO starben im Jahr 2002 weltweit 4,9 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Jedes Jahr werden 1,2 Millionen neue Lungenkrebsfälle diagnostiziert.