Dänemark will lieber „warme Luft“ kaufen

Billige Klimapolitik: Statt durch weniger eigenen Kohlendioxidausstoß soll das Kioto-Ziel durch Zertifikatkauf im Ausland erreicht werden

KOPENHAGEN taz ■ Mit 18 Prozent Strom aus Windmühlen führt Dänemark die Produzenten-Hitliste regenerierbarer Energien an. Wegen der anderen 82 Prozent – vorwiegend in Steinkohlekraftwerken produzierter Strom – rangiert der Nachbar beim Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid aber auf einem Spitzenplatz der europäischen Verschmutzerliste. Ein Widerspruch, den Dänemark jetzt im Ausland lösen will.

Und zwar mit dem von der EU abgesegneten Handel mit Treibhausgasemissionen. Das geht aus dem neuen Klimaplan hervor, der in Kopenhagen nach einjährigem Dranherumfeilen vorgelegt wurde. „Das gibt am meisten Umwelt fürs Geld“, verkündete der rechtsliberale Umweltminister Hans Christian Schmidt.

Dänemark bleibt weit hinter den im Kioto-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen. Mit einem erwarteten CO2-Ausstoß von 80 Millionen Tonnen im Jahre 2012 liegt es fast 50 Prozent über dem vorgeschriebenem Ziel. Statt den einheimischen CO2-Ausstoß zu reduzieren, will Kopenhagen den Stromkonzernen jetzt jedoch sogar die kräftige Erhöhung erleichtern. Seit der Strommarkt-Liberalisierung haben sich nämlich glänzende Exportmöglichkeiten vor allem nach Deutschland und Schweden geöffnet, die beide ihre Atomstrom reduzieren wollen.

Aus dem Kioto-Prozess kann Dänemark zwar nicht aussteigen, da die gesamte EU ihn ratifiziert hat. Doch will die Regierung ihre Verpflichtungen so billig wie möglich einlösen. Das regierungseigene Umweltinstitut errechnete, dass 4 Milliarden Euro notwendig sind, um das Ziel mit Investitionen in regenerierbare Energieerzeugung zu erreichen. Mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten im Ausland sei die gleiche Reduktion rechnerisch schon für die Hälfte zu haben. Praktisch funktioniert das über Investitionen in ausländische Projekte, wie etwa die Umstellung eines rumänischen Fernwärmekraftwerks auf dieVerfeuerung von Holzabfällen. Unter dem Strich wird der globale CO2-Ausstoß damit tatsächlich nicht gesteigert. Doch hauptsächlich will Dänemark seine Quotenziele gar nicht über solche gezielten Investitionen erreichen, sondern über den Aufkauf „freier“ CO2-Quoten in Russland und der Ukraine.

Dieser Handel mit „warmer Luft“ ist für den ehemaligen dänischen Umweltminister Svend Auken ein Weg, „gerade nichts für die Umwelt zu tun“. Darüber hinaus drohten „die Gelder in Mafia-Kreisen einfach zu verschwinden“. Auken verweist auch auf den verheerenden internationalen Effekt der Kehrtwende: Wie wolle man Entwicklungsländer zu einer Verminderung ihres Ausstoßes bringen, wenn das reiche Dänemark unverblümt klar mache, dass man selbst nicht bereit sei, aktiv zu werden?

„Peinlich kurzsichtig, alle Schlupflöcher des Kooto-Abkommens ausgenutzt“, kommentiert Tarje Haaland von Greenpeace die Regierungspläne. Auf Dänemarks billigem Weg seien nämlich weder Investitionen in bessere Technik noch weitere Förderung der Windkraft vorgesehen. Stattdessen gebe es nichts als Rechenkunststücke.

Der Spurwechsel in der dänischen Umweltpolitik kommt zeitgleich mit einer britisch-schwedischen und einer deutsch-französischen Initiative für neue Impulse der EU-Klimapolitik. Wollen Berlin und Paris vor allem die Abgasgrenzwerte im Verkehr verschärfen, haben London und Stockholm in einem gemeinsamen Brief an die griechische Ratspräsidentschaft ein Programm zur Verdopplung des Anteils regenerierbarer Energiequellen gefordert.

REINHARD WOLFF

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