Irak-Aufmarsch geht baden

Türkisches Parlament verweigert die Stationierung von US-Soldaten im Land und bringt damit die Militärplanung des Pentagons durcheinander. Türkei warnt Irak vor falschen Schlussfolgerungen

BERLIN/ANKARA taz/dpa/rtr ■ Die Pläne der USA für einen Krieg gegen den Irak sind vorläufig an der Türkei gescheitert. Das türkische Parlament in Ankara stimmte am Samstagabend völlig überraschend mit äußerst knapper Mehrheit gegen die Stationierung von bis zu 62.000 US-Soldaten an der türkisch-irakischen Grenze. Der Beschluss könnte dazu führen, dass es nicht zu dem von den USA geplanten Aufbau einer Nordfront in einem Krieg kommt.

Tausende amerikanische Soldaten warten seit mehr als einer Woche vor der türkischen Küste auf ihre Landung. Was nun mit ihnen geschehen soll, blieb zunächst unklar. Aus US-Militärkreisen verlautete jedoch, die Kriegsplanung könne rasch geändert werden. US-Schiffe mit Waffen und Vorräten müssten dann nach Süden über den Suezkanal in die Golfregion umgeleitet werden.

Obwohl im Parlament in Ankara 264 Abgeordnete für und nur 250 gegen die Stationierung stimmten, erzielten die Befürworter wegen 19 Enthaltungen nicht die nötige Mehrheit. Die türkische Verfassung fordert für die Verabschiedung einer Vorlage deren Billigung durch die Mehrheit der Anwesenden. Nahezu 100 der 362 Abgeordneten der Regierungspartei AKP verweigerten sich der politischen Führung. Offenbar ist nicht geplant, die Vorlage erneut zur Abstimmung einzubringen. Während der Debatte demonstrierten rund 50.000 Menschen vor dem Parlament gegen ein Irakkrieg.

Die USA, die schon ein Glückwunschtelegramm an Ankara formuliert hatten, äußerten sich von der Entscheidung enttäuscht. „Wir hatten natürlich auf eine positive Entscheidung gehofft“, sagte der US-Botschafter in Ankara, Robert Pearson. Das Weiße Haus in Washington bezog offiziell nicht Stellung.

Die Pentagon-Planungen hatten die Stationierung von 62.000 Soldaten, 255 Kampfflugzeugen und 65 Hubschraubern vorgesehen. Zudem sollten tausende türkische Soldaten in den kurdisch kontrollierten Norden des Nachbarlands eindringen, um die Gründung eines Kurdenstaats zu verhindern. Auch diese Planung ist nun gestoppt. Im Gegenzug hatten die USA der Türkei ein Hilfspaket in Höhe von rund 30 Milliarden US-Dollar an Direktzahlungen und Krediten für die wirtschaftlichen Folgen des Krieges angeboten.

Die türkische Regierung zeigte sich nach der Entscheidung um Schadensbegrenzung bemüht. Den transatlantischen Beziehungen habe das Votum nicht geschadet, erklärte Ministerpräsident Abdullah Gül. Er warnte zugleich den Irak vor dem Versuch, aus dem Parlamentsbeschluss Nutzen zu ziehen. KLH

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