Am Schönheitsideal verdient

Landgericht verurteilt Chirurgen, der Frauen vor Schönheitsoperationen über Risiken nicht aufgeklärt und dann gepfuscht hatte, zu 21 Monaten auf Bewährung

Als die Staatsanwältin den Fall übernahm, war sie sich sicher, dass Reinhard W. eine langjährige Haftstrafe bekommen würde. Über Jahre hatte der Chirurg die Patientinnen seiner Eimsbütteler Tagesklinik nicht hinreichend über die Risiken einer Schönheitsoperation aufgeklärt und dann immer wieder Kunstfehler begangen (taz berichtete). Dann aber habe er seine Fehler vor dem Landgericht in einem Maße eingeräumt, sagte die Anklägerin gestern in ihrem Plädoyer, „wie ich es von Medizinern noch nie erlebt habe“.

Deshalb plädierte sie nur auf eine Bewährungsstrafe. Das Gericht schloss sich dem an. Gestern verurteilte es Reinhard W. wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 15 Fällen und vier fahrlässig begangenen Taten zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Außerdem bekam der 59-Jährige ein Berufsverbot für vier Jahre.

Manche der Patientinnen hatten vor Gericht erklärt, dass sie die Operationsrisiken auf sich genommen hätten, hätte Reinhard W. sie ihnen vor dem Eingriff dargelegt. In diesen Fällen wurde nur auf fahrlässige Körperverletzung erkannt. Die übrigen Patientinnen aber hätten nach eigenem Bekunden nicht in die Operation eingewilligt, wenn sie gewusst hätten, mit welchen Risiken diese verbunden waren: Nach dem Absaugen von Fett aus den Oberschenkeln hatten sich bei vielen Patientinnen Dellen in die Haut gegraben. Bei Frauen, die sich Fältchen um den Mund wegoperieren lassen wollten, bildeten sich anschließend Hautwülste rund um den Mund.

Obwohl manche Patientinnen konkret nach solchen Risiken gefragt hatten, hatte Reinhard W. im Vorgespräch behauptet, dass bei ihm noch nie derartige Fehler vorgekommen seien – auch, als schon mehrere Patientinnen das OP-Ergebnis beanstandet hatten.

Das Gericht erkannte an, dass Reinhard W. im Prozess zu seinen Verfehlungen gestanden habe. Nur in Einzelfällen habe er diese „leicht beschönigt“. Der Richter erinnerte daran, dass eine wirksame Einwilligung in eine Operation stets die umfassende Information der PatientInnen erfordere. Bei Schönheitsoperationen seien daran sogar noch höhere Anforderungen zu stellen, da diese – „überflüssig ist vielleicht zu hart ausgedrückt“ – zumindest „nicht unbedingt notwendige Eingriffe“ seien.

Die Anwältin einer von Reinhard W. verunstalteten Patientin hielt diesem in ihrem Plädoyer vor, „mit dem Leid der Frauen Geld verdient zu haben“. Die Staatsanwältin aber richtete sich in ihrem Schlussvortrag auch an diese Frauen selbst: Sicher sei es in dieser Gesellschaft wichtig, gut auszusehen. Aber dennoch seien chirurgische Eingriffe stets mit erheblichen Risiken verbundene Eingriffe und nichts, „was man mal eben zwischen Mittagessen und Friseurtermin machen lassen kann“. ELKE SPANNER