Agenten im Häppchen-Einsatz

Dienstleistertheater mit Gimmicks: Andreas von Studnitz brachte Shakespeares „Hamlet“ auf die Bühne des Musicaltheaters – maximal reduziert und ziemlich glatt

Das Bühnenpersonal läuft durch die Hofburg als wär‘s eine Sparkassen-Filiale

„Sein oder Nicht-Sein“ – manchmal entscheidet so eine Frage der Intendant, und zwar ohne lange zu fackeln: Gut zwei Wochen vor der Premiere von „Hamlet“ am Bremer Theater sah Intendant Klaus Pierwoß eine Durchlaufprobe, sah keinerlei Perspektive für einen brauchbaren Theaterabend und nahm den Telefonhörer in die Hand, um einen neuen Regisseur an Land zu ziehen. Gastregisseurin Claudia Bauer, sonst tätig als künstlerische Leiterin am Theaterhaus Jena, wurde gefeuert, der Premierentermin verschoben und am Chiemsee setzte sich Andreas von Studnitz in den Zug. Am 16. Februar, zwei Wochen vor dem neuen Premierentermin, kam von Studnitz in Bremen an.

Im Gepäck hatte er vor allem ein gut ausgewachsenes Ego: „Peter Zadek hat zu Beginn seiner Laufbahn jede Woche ein neues Stück auf die Bühne gebracht“ sagte er auf die Frage nach dem Zeitdruck. Das Ergebnis sei „kein Not-Hamlet“, sondern „mein Hamlet“. Also alles bestens, keinerlei Grund, sich am Sonntagabend im Musicaltheater am Richtweg Gedanken über die Produktionsbedingungen dieses „Hamlet“ zu machen.

Angekündigt hatte Andreas von Studnitz eine radikale Reduktion, „Hamlet“ in knapp zwei Stunden, nur das Wichtigste sollte übrig bleiben. Abgespeckt wie der Text ist auch das Bühnenbild von Robert Schweer: Kahle Mauern aus groben Stein beschreiben ein Halbrund, ein Burghof in Anlehnung an das Globe Theatre. Rechts im Vordergrund das Grab des Vaters. Das war‘s. Orts- und Szenenwechsel besorgt das Licht.

Spot auf Hamlet: Fritz Fenne spielt einen Angry Young Man, mehr Rächer als Melancholiker. Im ledernen Gehrock mit Rüschen erinnert er an Mick Jagger, ein kühl kalkulierender, energiegeladener Einzelkämpfer, von dem man eher ein Autogramm erwartet als ein Statement über die Vergänglichkeit – Letzteres hat von Studnitz sowieso gestrichen. Vielschichtiger ist da Siegfried W. Maschek als Claudius: Der Brüdermörder und neue König ist ein sympathischer Kerl mit Gewissensbissen im hochgeschlossenen, pastoralen Zweireiher.

Überhaupt, die Anzüge: Bis auf Hamlet und Königin Gertrud (Henriette Cejpek) läuft das Bühnenpersonal durch die Hofburg, als wär‘s eine Sparkassen-Filiale, dezent dunkel oder – bei Jugendlichkeit – poppig bunt gewandet. Beinkleider wie vom Herrenausstatter (Kostüme: Gabriele Frauendorf). Der speichelleckende Polonius (Matthias Kleinert) verrät sich durch ein Handyklingeln und mit Ausnahme von Hamlet sind alle gut frisiert: Durchgestylte Figuren, Agenten eines „Hamlet“-Happens, die vor zwanzig Jahren modern waren, heute lediglich aalglatt sind.

Nur folgerichtig, dass das Dienstleistertheater auch ein paar Gimmicks zu bieten hat: Die Blaumeier-Schauspieler Frank Grabski, Wolfgang Göttsch und Aladdin Detlefsen übernehmen die Schauspielerszene, die Behinderung der „Verrückt aus Paris“-Stars platzt in die keimfreie „Hamlet“-Welt – und man weiß nicht recht, was anfangen damit. Logischer da schon die von Klaus Figge beeindruckend durchchoreografierte Fechtszene am Schluss: „Hamlet“ goes Akrobatik. Hier wird was geboten. Kein Risiko. Und dauert auch nicht lang. Klaus Irler

nächste Aufführungen: 12., 16. und 29. März, jeweils um 19.30 Uhr im Musicaltheater am Richtweg. Ergänzend dazu die Reihe „Hamlet Extra“, jeweils 20 Uhr im Musicaltheater: Am 10.3. liest Fritz Fenne Kurt Cobain-Tagebücher, am 17.3. läuft Tom Stoppards Film „Rosenkranz und Güldenstern“, am 25.3. Aki Kaurismäkis „Hamlet goes business“