Künast klärt auf

In Sachen Aufklärung und Transparenz gebe es noch viel zu tun, sagt Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne). Deshalb initiiert ihr Ministerium auf der Grünen Woche eine Sonderschau

INTERVIEW VOLKER ENGELS

taz: Auf der diesjährigen Internationalen Grünen Woche präsentiert Ihr Ministerium eine Sonderschau unter dem Motto „Gesunde Ernährung – kluger Konsum“. Welche Idee steckt hinter der Veranstaltung?

Renate Künast: Gesunde Ernährung ist eine wesentliche Voraussetzung für Gesundheit und persönliche Entwicklungschancen. In Zeiten zunehmenden Übergewichts schon bei Kindern und der Zunahme von ernährungsbedingten Krankheiten sind hier entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten wichtiger denn je. Hierbei wollen wir helfen. „Kluger Konsum“ – ich setze das immer in Anführungsstriche – bedeutet darüber hinaus: auch die Bedingungen mitbedenken, unter denen die Produkte erzeugt werden. Also fair gehandelte Lebensmittel, die auch den Erzeugern faire Preise sichern, Waren, die ohne Kinderarbeit erzeugt wurden, oder aber die Eier von Hennen, die nicht ihr Leben in einer Legebatterie fristen mussten.

Vor einem Jahr haben Sie das zu niedrige Preisniveau auf dem Lebensmittelmarkt kritisiert und gesetzliche Maßnahmen gegen Preisdumping gefordert. Sind Sie mit dem aktuellen Preisniveau unserer Lebensmittel zufrieden?

Lebensmittel sind ja im wahrsten Sinne des Wortes Mittel zum Leben. Die sollten wir in ihrem Wert erkennen und nicht verramschen. Es ist ja paradox, dass Deutschland die teuersten Küchen, aber zugleich die billigsten Lebensmittel hat. Die Verbraucherinnen und Verbraucher machen so oder so Politik mit dem Einkaufskorb. Wer also beispielsweise mehr Tierschutz in der Landwirtschaft haben will, muss wissen, dass das natürlich nur geht, wenn er dafür auch die kaufkräftige Nachfrage schafft, also auch tatsächlich Bio- oder Freilandeier oder eben Fleisch und Wurst aus artgerechter Haltung kauft.

Schon bald wird mit Polen ein großes Agrarland auf den Markt drängen. Viele befürchten, manche hoffen, dass sich die Preisschraube für Lebensmittel dann weiter nach unten drehen könnte. Welche Auswirkungen sehen Sie für die Landwirtschaft?

Deshalb sage ich schon lange, es ist keine zukunftsweisende Strategie, in der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft auf einen Kostensenkungswettbewerb zu setzen. Die deutsche Landwirtschaft ist gut beraten, schon heute das Qualitäts- und Spitzensegment zu besetzen. Denn bei allem Preisdruck wird es immer auch eine kaufkräftige Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln geben. Damit kann man viel Geld verdienen. Die Frage ist nur, wer damit Geld verdient, die deutschen Landwirte oder eben die Konkurrenz.

Erwarten Sie darüber hinaus auch Auswirkungen für die Verbraucher?

Mit der Osterweiterung der EU gelten für die Beitrittsländer und ihre Lebensmittelexporte dieselben Regelungen wie für alle anderen EU-Mitglieder auch. Die Sicherheitsstandards und die Vermarktungsnormen sind überall gleich. Nehmen wir das Beispiel Eier: Eier müssen seit dem 1. Januar eindeutig gekennzeichnet werden. Aus der Kennzeichnung geht die Haltungsform hervor. Jetzt liegt es an den Verbrauchern, was sie kaufen. Und an der Wirtschaft, die in ihrer Werbung ja die Konsumenten mit deren Auffassung zum Tierschutz packen könnte.

Wie sicher können Verbraucher in Deutschland sein, dass ihre Milch oder das Müsli frei von gentechnisch veränderten Bestandteilen sind?

Ab Mitte April tritt die neue Kennzeichnungsregelung in Kraft. Dann muss jede absichtliche Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen gekennzeichnet werden; wenn das Produkt unbeabsichtigt einen Anteil von mehr als 0,9 Prozent enthalten sollte, muss der ebenfalls gekennzeichnet werden.

Lässt sich eine Koexistenz von gentechnisch veränderten und naturbelassenen Lebensmitteln organisieren oder ist das nicht eher der Versuch, mit bloßen Händen den Bruch des Damms zu verhindern?

Ich sehe es als meine Aufgabe an, die Koexistenz zu sichern und die entsprechenden Regelungen auf den Weg zu bringen, damit das auch gelingen kann. Landwirte müssen die Möglichkeit haben, sowohl mit als auch ohne Einsatz von Gentechnik zu produzieren. Unser neues Gentechnik-Gesetz wird hierzu wesentlich beitragen. Für mich als Verbraucherschutzministerin ist die Wahlfreiheit der Verbraucher ein hohes Gut. Die Verbraucher sollen selbst entscheiden können, ob ihre Lebensmittel unter Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen hergestellt sind oder nicht. Diese Wahlfreiheit haben sie aber nur, wenn sie wirklich wissen, was drin ist. Deshalb sind die klaren Kennzeichnungsregelungen auch so wichtig. Alles andere wird am Markt ausgetragen.

Wer ist in Deutschland stärker: die Verbraucher- oder die Landwirtschaftslobby?

Die Verbraucher holen kräftig auf. Der Markt funktioniert am besten, wenn die Beteiligten auf Augenhöhe miteinander agieren. Dazu benötigen aber alle Marktteilnehmer Informationen – das bedeutet Aufklärung und Transparenz. Hier gibt es noch immer viel zu tun.