Wie werde ich Ökobauer?

Im polnischen Polanów gibt eine Website hilfreiche Tipps: Ökologische Landwirtschaft ist eine Perspektive für die kleinen Betriebe. Pestizide verwenden sie ohnehin in geringem Maße. Aber einiges fehlt noch, etwa ein verbindliches Qualitätssiegel

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Polanów ist ein typisches Landstädtchen im Norden Polens: malerisch an einem Fluss gelegen, zwischen Wäldern und Wiesen, aber arm. Die meisten der rund 9.700 Einwohner leben von der Landwirtschaft. Der Gang zum Brunnen gehört hier für viele noch zum Alltag, ebenso wie die Sickergrube oder das Plumpsklo neben dem Stall. Fließendes Wasser gibt es nur in knapp 700 Häusern. An die Kanalisation sind knapp 300 angeschlossen. Und doch ist Polanów bei Szczecin (Stettin) ein besonderes Landstädtchen. Denn es hat mit Grzegorz Lipski einen Bürgermeister, der nicht nur all seine Energie darein setzt, Polanów auf die Sonnenseite des Lebens zu ziehen, sondern auch vor ungewöhnlichen Wegen nicht zurückschreckt: Er propagiert in seiner Gemeinde den Biolandbau. Die Verwaltung hat alles genau durchgerechnet. Für die Kleinbauern von Polanów – die meisten bewirtschaften Höfe bis zu zehn Hektar (60,4 Prozent) – wäre der Biolandbau in der EU günstiger als die konventionelle Landwirtschaft.

Selbst auf der offiziellen Website wirbt die Verwaltung für den Biolandbau. Ingenieur Zak, den man bei Fragen auch gleich anrufen kann, erklärt in einem vierteiligen Artikel, wie ein Bauer aus Polanów zum Ökobauern werden kann. In direkter Konkurrenz mit der hoch entwickelten Landwirtschaft des Westens könnten die 334 Kleinbauern Polanóws nicht überleben. Anders als diese setzten sie im Schnitt dreimal weniger Kunstdünger und zehnmal weniger Pestizide ein, so dass ihre Erträge wesentlich niedriger seien als im Westen. Doch die Bauern in Polanów könnten diesen vermeintlichen Nachteil durchaus in einen Vorteil verwandeln. Nicht nur die Regierung in Warschau, auch die EU fördere den Biolandbau mit kräftigen Finanzspritzen. „Nicht nur ‚Ferien auf dem Bauernhof‘, auch der Biolandbau können zur polnischen Spezialität in der EU werden“, meint Zak.

Die Umstellung auf Biolandbau sei gar nicht so schwierig, da die meisten Bauern in Polanów ohnehin kaum Kunstdünger und Pestizide einsetzen würden. Sie würden also schon weitgehend Bioqualität produzieren. Um aber in den Genuss der Regierungs- und EU-Zuschüsse zu gelangen, müsse der Anbau kontrolliert werden. Bioqualität ohne Zertifikat sei nicht viel wert. Wer sich dafür entscheide, seinen Hof künftig als kontrollierten Ökobetrieb zu führen, könne auf jede Hilfe der Verwaltung zählen. Informationen, Schulungen, Adressen, Antragsformulare – all das kann man im Bürgermeisteramt bekommen.

Dass der Umstieg von von konventionellem Ackerbau und herkömmlicher Viehzucht auf Biolandbau wohl doch nicht so einfach ist, wie Zak es darstellt, zeigen die Zahlen für ganz Polen. Einem Bericht des polnischen Landwirtschaftsministeriums zufolge hatten sich im Jahre 2002 ganze 590 Höfe für die Erstkontrolle angemeldet, 505 Höfe waren bereits im zweiten Jahr der Umstellung. Doch das begehrte Biozertifikat, das erst zum vollen Bezug der Beihilfen berechtigt, erhielten nach der Kontrolle lediglich 882 von 1.977 Höfen. Das Zertifikat ist nur zwölf Monate gültig und muss jedes Jahr erneuert werden. Immerhin gibt es aber inzwischen sechs staatlich anerkannte Kontroll- und Zertifikatsstellen. Bis vor drei Jahren gab es für Bauern, die auf Biolandbau umsteigen wollten, keine verbindlichen Kriterien für Bioqualität. Das Gesetz über ökologische Landwirtschaft wurde erst 2001 verabschiedet.

Die Verbraucher in Polen hingegen müssen bis heute auf ein verbindliches Gütesiegel warten. Lange Zeit stand das Etikett „Ekoland“ für erste Bioqualität. Doch die Organisation darf keine staatlich anerkannten Zertifikate vergeben, so dass der Kunde letztlich nicht weiß, ob da, wo Bio draufsteht, auch wirklich Bio drin ist. Da Bioprodukte aber im Schnitt zehn bis zwanzig Prozent teurer sind als Lebensmittel, die konventionell erzeugt wurden, ist die Nachfrage eher gering. Ohne ein verbindliches Qualitätssiegel werden die Biobauern kaum auf einen grünen Zweig kommen – trotz Zuschüssen.

Bauern wie Kunden hoffen auf die EU und die dann auch in Polen verbindlichen Regelungen. Denn die Regierungspolitik ist für viele kaum nachvollziehbar. Hatte sie im Jahre 2001 noch knapp 6 Millionen Zloty (ca. 1,5 Millionen Euro) Zuschüsse an Biobauern ausgezahlt, waren es 2002 nur noch gut 4 Millionen. Je nachdem, was die Ökobauern angebaut haben, können sie – so sie für ihren Hof das staatliche Zertifikat erworben haben – zwischen 80 Zloty und 500 Zloty pro Hektar (ca. 20–110 Euro) bekommen.