musikmanager tim renner verlässt universal
: Ende eines Schaumschlägers

TIM RENNER, 39, Chef von Universal Music Deutschland, verlässt das Unternehmen überraschend zum Ende des Monats. Es habe „unterschiedliche Auffassungen“ über die Umsetzung nötiger Sparmaßnahmen gegeben, verkündete der Musikkonzern am Donnerstag in Berlin.

Er war der Hoffnungsträger der deutschen Musikindustrie, ein Vorzeigemanager, der mit seinen „Visionen“ der darbenden Branche den Weg aus der Krise weisen sollte. Als ehemaliger Fanzine-Schreiber musste er doch einfach wissen, wie man den Kids (und vielleicht auch ihren Eltern) tolle Popmusik verkauft. Sogar der Bundeskanzler machte ihm letztes Jahr seine Aufwartung – war er doch schließlich mit seinem Konzern gerade erst hoch subventioniert in ein ehemaliges Eierkühlhaus an der Spree gezogen. Nun wirft er die Brocken also einfach hin, lasst die download-gebrannte Branche einfach im Stich.

Was wird aus ihr, und was soll Universal Music ohne den großen Guru werden?

Antwort: Freut euch einfach, dass mit Tim Renner ein berufsjugendlicher Schaumschläger abgetreten ist, der in der letzten Zeit doch eher für heiße Luft stand. Als Tim Renner in den frühen 90ern Polygram seinen eigenen Spielplatz, das Label Motor abschwatzen konnte und dort erfolgreich deutsche Künstler wie Philipp Boa und Rammstein vermarktete, da hatte er noch „Visionen“, bewegte auch künstlerisch noch etwas.

Die Bosse waren begeistert von ihrem hanseatischen enfant terrible – das gute Umsatze und ein cooles Image bescherte. Der unaufhaltsame Aufstieg des Tim R. nahm seinen Lauf. Vor allem, als die Philips-Tonträgertochter Polygram verkauft und mit Universal verschmolzen wurde und schließlich im überschuldeten französischen Mischmulti Vivendi strandete.

Plötzlich stand zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Tim auf der Brücke und war der Kapitän. Aus Dankbarkeit scharwenzelte Herr Renner denn auch wie ein Eunuch am chinesischen Kaiserhof auf der 2001er PopKomm beim Rundgang um den französischen Vivendi-Boss. Endlich ganz oben, endlich konnte er seine „Visionen“ umsetzen, konnte die großen Linien aufzeigen.

Doch zu dieser Zeit meuterten die Kaufer bereits, luden sich die Musik lieber kostenlos aus dem Netz oder brannten CDs günstig am Rechner. Die Umsätze bröckelten, und auch die Chefetage konnte nur noch die Krise managen – da fühlte Renner sich zum ersten Mal dem Kanzler ganz nah. Die Mitarbeiter konnten noch so emsig den deutschen Underground durchforsten und alternative Helden wie Surrogat und DJ Hell unter Vertrag nehmen.

Besonders „innovativ“ glaubte sich Tim Renner in der Forderung nach einer attraktiven (Bezahl-)Download-Plattform für den Konsumenten. Alles vergebens! Als die Konzernmutter jüngst mehr internationale Stars für den Katalog der deutschen Niederlassung im Katalog anmahnte, mochte der Tim nicht mehr. Er warf den undankbaren Franzosen das Eierkühlhaus vor die Füße. So ist das mit nun mal mit enfant terribles! JAN OLE JOHNK