DIE UMLEITUNG DES EBRO SOLL VON TANKER-HAVARIE UND IRAK ABLENKEN
: Aznars Spiel mit Wasser und Öl

Die in Spanien regierende Volkspartei (PP) schlägt zurück. Nachdem vor zwei Wochen vier Millionen Menschen gegen den Schulterschluss José María Aznars mit den USA demonstrierten und vor einer Woche über eine halbe Million die Untätigkeit der Regierung anlässlich des Tankerunglücks in Galicien anklagten, gelang es jetzt den Konservativen, eine halbe Million Menschen für ihre Politik zu mobilisieren. Landwirtschaftsverbände und Tourismusvereine aus den trockenen Regionen am Mittelmeer hatten gerufen. Ihr Anliegen: Die wassereichen Landstriche im Norden sollen das kostbare Nass abtreten, wie es der nationale Wasserplan vorsieht, den die Regierung Aznar vor 20 Monaten verabschieden, aber noch nicht vollständig umsetzen ließ.

Dabei wäre die Überführung riesiger Wassermengen aus dem Ebro in die Tourismuszentren an der Küste und in die Bewässerungslandwirtschaft im heißen Süden eine Katastrophe für das Biosystem des Ebro. Im Mündungsdelta würde weniger Süßwasser ankommen, die unter Naturschutz gestellte Landschaft würde versalzen. Auch sozial ist der Plan unverträglich. Wenn das arme Aragón, woher ein Großteil der Fluten des Ebro kommt, Wasser abgibt, verzichtet es damit auch auf eigene Entwicklungschancen. Wasser ist in einem Land wie Spanien Reichtum. Der Tourismus ist der wichtigste wirtschaftliche Sektor des Landes. Die Bettenburgen an der Küste für Pauschalreisende haben sich längst zu Schmarotzern entwickelt, die die umliegenden Landstriche regelrecht aussaugen. Das Gleiche gilt für die Bewässerungslandwirtschaft, die mit dem Wasser des Hinterlands gleich mehrere Ernten pro Jahr in den Export liefert.

Zwei Monate vor den Kommunal- und Regionalwahlen mobilisiert Aznar die Seinen, um die neuesten Umfragen, bei denen die PP dank der Irakpolitik immer mehr absackt, vergessen zu machen. Es ist ihm dabei egal, dass er das bestehende Wohlstandsgefälle zwischen dem Landesinnern und der Küste festschreibt, aber es passt ihm ins Konzept, damit die Regionen gegeneinander ausspielen zu können. Denn diejenigen, die Wasser abtreten sollen, sind sozialistisch regiert, die Wasserbezieher aber konservativ. REINER WANDLER