Trostpflaster Asphalt

Kopfsteinstraßen machen Krach und lösen das Problem der Flächenversiegelung nicht. Trotzdem stammt das letzte Asphaltierungsprogramm aus den 80er Jahren. Nicht mehr Stand der Technik

von GERNOT KNÖDLER

Sssssss – brrrrrrr: Das Geräusch, wenn ein Auto auf einer Asphaltstraße fährt und dann plötzlich auf Kopfsteinpflaster kommt, kennt jeder. Beim Fahrrad ist es kaum nachzuahmen, denn dabei klingeln Glocken, klappern Gepäckträger, quietschen ausgerissene Schutzbleche. Manchmal klappern auch die Zähne. Während der Krach eines Fahrrades mehr ein Problem für den Radler selbst darstellt, ist der Lärm, den Autos auf Pflasterstraßen verursachen, gemeingefährlich. In den 80er Jahren zog der Senat deshalb im großen Stil Asphalt übers Pflaster. Seither ist nicht mehr viel passiert. Noch heute müssen Hunderttausende Hamburger mit Pflaster vor ihrem Fenster leben.

115.000 Hamburger sind nach einer Untersuchung der Firma Lärmkontor gesundheitsgefährdendem Straßenverkehrslärm ausgesetzt. Sie müssen mit einem Dauerschallpegel von 65 Dezibel (dB(A)) und mehr leben. Mediziner gehen davon aus, dass hierbei das Risiko eines Herzinfarktes um 20 Prozent steigt.

Eine Abschaffung des Pflasters führe auf Stadtstraßen mit Tempo 50 bis 60 zu einem Effekt, der einer Viertelung der Verkehrsmenge entspreche, sagt Christian Popp von Lärmkontor. Bei ganz grobem Pflaster sei eine Lärmminderung gemessen worden, die einer Achtelung des Verkehrs oder einer Vervierfachung des Abstandes entspreche.

„Pflaster ist lauter“, bestätigt Christoph Schröder von der Baubehörde. Straßen wie die Osterstraße, der Bahrenfelder Steindamm, die Landwehr oder der Eppendorfer Baum waren vor ihrer Asphaltierung rechnerisch um vier bis fünf Dezibel lauter. Erhöht sich der Lärmpegel um drei Dezibel, verdoppelt sich die Schallintensität. Erst bei einer Erhöhung um zehn Dezibel haben die Leute jedoch das Gefühl, es sei doppelt so laut. „Der subjektiv empfundene Effekt dürfte deutlich größer sein“, vermutet Popp. Denn Phänomene wie etwa klappernde und knallende LKW-Aufbauten würden von den Rechenmodellen nicht erfasst.

In das Millionen-Programm der 80er Jahre wurden die stark frequentierten Pflasterstraßen aufgenommen. Die lautesten von ihnen wurden asphaltiert. Trotzdem landen bei den Behörden immer wieder Anfragen, etwa aus dem Mittelweg, mit dem Tenor: „Wann kommt das Pflaster raus“, wie Schröder bestätigt. Der Mittelweg gehöre zu den Straßen, für die eine Lärmsanierung erwogen werde. Die Straße müsse aber ohnehin erneuert werden. Grundsätzlich gelte für die Baubehörde: „Wir gehen nicht ohne Not ran.“ Die Straßen bleiben, wie sie sind, so lange sie ihren Dienst erfüllen.

Denn das Lärmsanierungsprogramm der 80er Jahre stieß keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. „Bei glatter Decke wird schneller gefahren“, protestierten Anwohner. Andere führen denkmalpflegerische Gründe ins Feld oder die Befürchtung, mit der Asphaltierung werde zusätzlicher Boden versiegelt. Aus Sicht der Stadtentwässerung (HSE) macht es allerdings keinen wesentlichen Unterschied, ob eine Straße asphaltiert oder gepflastert ist.

„Stadtstraßen brauchen eine starre Bettung“, sagt Schröder. Wegen des schweren Verkehrs müssen die Steine stabil gegeneinander gesetzt werden. Das Wasser müsse durch Verfugen abgehalten werden. Doch auch Sandfugen schlämmten über die Jahre so zu, dass kaum etwas versickere. In der Stadt sei das auch gar nicht gewünscht. „Man will die Straße nicht zur Schadstoff-Senke machen“, sagt Schröder.

Pflasterstraßen sind nicht mehr Stand der Technik: Auf Asphalt greifen Reifen besser, Asphaltstraßen lassen sich leichter ausbessern. „Wenn Sie an eine Pflasterstraße einmal rangehen, dann ist die Spannung der Decke weg“, warnt Schröder. Bei 20–30.000 Aufgrabungen im Jahr bestünde Hamburg bald nur noch aus Buckelpisten.