Abriss mit Tradition

Geplantes Ende der Häuser Lincoln-/Ecke Trommelstraße sorgt für Unmut. Misstrauen gegen die Saga. GAL und Lawaetz halten Sanierung für möglich

von GERNOT KNÖDLER

Mieter, Anwohner und die GAL haben der Saga vorgeworfen, sie habe ihre Häuser an der Lincolnstraße/Ecke Trommelstraße in St. Pauli bewusst verkommen lassen, um jetzt erklären zu können, es gebe keine Alternative zu einem Abriss. Während die Saga behauptet, es sei technisch nicht möglich, die Häuser durch Sanierung in einen „zeitgemäßen Zustand“ zu versetzen, will die GAL einen Investor in der Hinterhand haben, der zumindest einige der Häuser kaufen und sanieren würde. Überdies steht ein Wohnprojekt bereit, das einige der Häuser mit Fördergeld und Eigenleistungen sanieren würde.

In einem der zum Teil aus den 1830er Jahren stammenden Häuser ist der Zoo-Gründer Carl Hagenbeck geboren worden. In dem Haus, das als Einziges noch voll vermietet und einigermaßen in Schuss war, wurde am Sonntagvormittag ein Brand gelegt. Erst nach zweimaliger Aufforderung der Mieter dichtete die Saga das durch die Löscharbeiten beschädigte Dach vollständig ab.

Der Saga liegt ein Bauvorbescheid des Bezirksamtes Mitte für Abriss und Neubau vor. Sie rechnet demnächst mit der Genehmigung für den Abriss. Die Geschäftsstelle werde allen Mietern Ersatzwohnungen in St. Pauli anbieten, versicherte Saga-Sprecher Mario Spitzmüller. Etwa der Hälfte könne die Saga bereits ein passendes Angebot machen.

Doch ein Teil der Mieter will aus den Häusern nicht ausziehen, und die Nachbarn machen sich Sorgen, dass das Gesicht ihres Viertels entstellt und dessen soziale Struktur zerstört werden könnte. In der Nachbarschaft gebe es keinen Menschen, der für den Abriss sei, sagt Leah Johnstone von der Gemeinwesenarbeit (GWA) St. Pauli Süd. „Uns werden die Türen eingerannt mit Anfragen“, sagt die Stadtentwicklerin. Dabei sei der Fall Lincoln-/Trommelstraße nur Ausdruck einer Entwicklung: In den vergangenen Jahren seien immer mehr Saga-Mieter zur GWA gekommen mit Klagen über ausbleibende Instandsetzungen und die Schwierigkeit, eine neue Wohnung im alten Viertel zu finden.

„Ich erleb‘ das nicht zum ersten Mal, dass Häuser abgerissen werden“, berichtet Saga-Mieterin Heike Jung. Zuerst werden Wohnungen nicht mehr vermietet, das Haus wird kalt, Leitungen frieren ein und platzen, Schimmel und Schwamm machen sich breit. Und wenn dann der Dachboden offen ist, kokelt schnell mal einer rum – ein Szenario, von dem viele Mieter ein Lied singen können und das Tradition hat. „Meine Eltern mussten 1969 ihre Wohnung räumen mit der Begründung: ‚Ihr müsst alle nach Mümmelmannsberg“, erzählt Jung. Wer arm ist, so ihre Vermutung, soll weg.

Für die Augen des GAL-Bezirksabgeordneten Claudius Lieven ist es „offensichtlich, dass die Saga in St. Pauli Abriss vor Sanierung setzt“. So sei die Karolinenstraße 27 von der Saga 1988 schlampig saniert worden. 1996 musste sie für unbewohnbar erklärt werden. Die Turnerstraße 8–10 habe die Saga 1988 nicht der Steg übergeben wollen, weil eine Sanierung unnötig sei. 2001 wollte die Saga die Häuser abreißen. Die Talstraße 67 a–f sei der Saga 1995 von der Stadt mit der Auflage übergeben worden, sie zu erhalten. Seit 2000 betreibe die Saga den Abriss.