Falsche Hoffnungen geweckt

PädagogInnen auf der Veddel dachten, Sprachtest würde allen Kindern helfen. Senatorenbesuch brachte Aufklärung. SPD-Politiker spricht von „Fake“

Eine peinliche Szene spielte sich gestern am Rande des Besuchs von Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP) in der Schule Slomanstieg auf der Veddel ab. Schulleiterin Hiltrud Kneuer äußerte sich „froh“ über die gerade begonnene Sprachüberprüfung bei allen viereinhalbjährigen Kindern und erklärte, dass alle Kinder mit „erhöhtem Förderbedarf“ nun mit einer Bescheinigung der Schule einen Achtstunden-Kita-Platz erhalten würden. „Das ist mein Informationsstand“, so Kneuer, „und das habe ich den beiden Kita-Leitungen hier auf der Veddel auch gesagt.“

„Das ist eine Fehlinformation“, eröffnete ihr die daneben stehende Schulaufsichtsbeamtin Ursula Goebel und erläuterte die Feinheiten des Kita-Gutscheinsystems. Von den 16.000 Kindern, die noch bis März an Hamburgs Schulen vorgestellt werden, erhalten nur jene einen Achtstunden-Platz, die noch nie dort waren. Schulleiterin Kneuer korrigierte daraufhin ihr Statement: „Ich finde das betrüblich.“

So vollzieht sich auf der Veddel, einem Stadtteil mit 86 Prozent Migrantenanteil, gegenwärtig das, was der SPD-Politiker Thomas Böwer „Drehtüreffekt“ nennt. Vielleicht fünf Prozent der 80 vierjährigen Kinder, die Kneuer und ihre KollegInnen jetzt an zwei Samstagen auf Sprachförderbedarf testen, werden anschließend tatsächlich einen Ganztagsplatz in der gegenüberliegenden „Evangelischen Kita“ bekommen. Dort müssen aber bis zum Sommer 28 Kinder von ihren Ganztagsplätzen weichen. Sie werden auf vierstündige Betreuung zurückgestuft, egal ob die Schule Slomanstieg ihnen einen „erhöhten Förderbedarf“ attestiert oder nicht.

Darauf angesprochen redete Bildungssenator Soltau von „begrenzten Mitteln“. Er könne „jeden Euro nur einmal ausgeben“, gleichwohl sei dies einer der Punkte, die er am Kita-System „optimieren“ wolle. Sein Sprecher Alexander Luckow verkündete später, es werde eine „Klarstellung“ für Schulleiterin Kneuer geben. Die Schulaufsicht werde sich umhören, „wo es noch dieses Missverständnis gibt“.

Böwer geht indes davon aus, dass alle Schulleitungen dies missverstanden haben. Denn das Amt für Schule in der Bildungsbehörde hätte gar nicht begriffen, wie das Kita-System funktioniert. So steht auch in dem Behördenschreiben an die Schulen ganz allgemein, „bei Kindern mit Migrationshintergrund, die erhöhten Sprachförderbedarf haben“, berechtige die Vorlage der Schuluntersuchung zu einem Kita-Ganztagsplatz.

Deshalb spricht Böwer nun von einem „Fake“ des Bildungssenators, weil auch dieser beim Start der Sprachstandserhebung am 7. Januar erklärt habe, jedes Kind bekomme bei Bedarf die achtstündige Förderung. In einer kleinen Anfrage will der SPD-Politiker nun wissen, wie viele Kinder mit Migrationshintergrund einen Kita-Platz verlieren und wie viele ihn nach „Priorität 3“ bekommen. Nach aktuellsten Senatsangaben waren dies nur 68 Kinder.

Böwer erinnert daran, das von 1999 bis 2001 zu rot-grünen Zeiten „erfreulich viele“ Migrantenkinder eine Kita oder Vorschule besuchten, sogar häufiger als deutsche Kinder. So machte ihr Anteil in der „Vereinigung der Hamburger Kindertagesstätten“ gar 33 Prozent aus. Es gab damals nicht mehr „Euros“, sie wurden nur anders verteilt. KAIJA KUTTER