Beten und gesundlachen

100 Jahre Bremer Handelskrankenkasse: Beiträge sinken. Günstigere Kassen böten Vorteile auf Kosten anderer, klagt Vorstand Lempe. Pastor und Nachbar Motschmann hielt die Gastrede

Im später zerbombten „Haus der Union“ in der Wachtstraße fand einst die Gründungsversammlung statt

von Klaus Wolschner

Zu ihrem 100-sten Geburtstag hat die Bremer Ersatzkasse „hkk“ (Handelskrankenkasse) eine gute Nachricht: Sie senkt zum 1. April die Beiträge ihrer Versicherten von 13,9 auf 13,5 Prozent. Die Wahl dieses Datums folgt nüchternem Verwaltungshandeln, es geht um das 2. Quartal. Dass die HKK so allein steht mit der Politik der Beitragssenkung hat einen schlichten Grund: Während die Kassen insgesamt bundesweit einen Schuldenberg von sechs Milliarden Euro vor sich herschieben, ist die HKK schuldenfrei. Peter Reumann, ehrenamtlicher Verwaltungsrats-Chef der HKK, kann sich nicht einmal daran erinnern, dass die Kasse in den 33 Jahren seiner Zugehörigkeit einmal Schulden gehabt hätte.

Verwaltungsrats-Vorsitzender Reumann berichtete zum Jahrestag aus der „protestantischen und puristischen“ Frühgeschichte der Krankenkasse, erzählte, wie Mitarbeiter „Krankenbesuche“ abstatteten, um zu prüfen, ob die krank gemeldeten Mitglieder auch die Bettruhe einhielten. Damals startete die HKK mit 3.763 Mitgliedern. Heute hat sie 168.000 Versicherte und ist damit, wie Vorstand Michael Lemke berichtete, die Nummer 50 von bundesweit 230 Krankenkassen. Die Besonderheit der HKK: Sie ist regional auf Bremen und Niedersachsen beschränkt. In Bremen versichert sie 17 Prozent der Bevölkerung – und liegt damit knapp hinter der AOK.

Vorstand Lemke sprach auf der Festveranstaltung die aktuellen Sorgen der Kassen direkt an. Zwar herrsche für die Versicherten die freie Wahl der Kasse und damit Konkurrenz, aber trotzdem sei das System „planwirtschaftlich“ organisiert und von den Vorteilen des Wettbewerbs wenig zu spüren, meinte er. So werde von den Krankenkassenbeiträgen ein „Risikostrukturausgleich“ einbehalten, über den mehr Geld zwischen verschiedenen Kassen und Bundesländern hin- und hergeschoben werde, als über den Länderfinanzausgleich. Im Herbst, so Lemke, werde die Knappschaftsversicherung die günstigste Kasse sein, die mit den alten Bergleuten die „teuersten“ Mitglieder habe – durch den Strukturausgleich würden solche Risiken derzeit überkompensiert. Und die günstigste Bremer Versicherung, die Atlas BKK, könne ihren Tarif nur anbieten, weil sie der Kassenärztlichen Vereinigung weniger für ihre Patienten überweise und zudem gut gebildete Mitglieder habe – mit statistisch geringen Krankheitsrisiken. Auch andere Betriebskrankenkassen erreichten nach der Öffnung schnell eine durchschnittliche Kostenstruktur. Deswegen meint Lemke, von echtem Wettbewerb könne man erst sprechen, wenn die Monopole bei den Kosten aufgebrochen würden. Derzeit kann eine Krankenkasse nicht verhandeln, wie viel für welche Leistung bezahlt wird. Das ist für alle einheitlich geregelt. Zudem gebe es keinerlei „Markttransparenz“: Die Krankenkasse weiß nicht, wie viel Kosten ein bestimmter Patient verursacht und welchen Erfolg die Behandlung hat. Erst die Konkurrenz auf diesem Feld könnte einen Beitrag zur Kostensenkung bringen, so Lemke.

Der HKK hielt ihr „Nachbar“ an der Martinistraße, Pastor Jens Motschmann, die Gastrede. Gesundheit erscheine manchmal die „teuerste Religion“ unserer Zeit, meinte dieser. Das Christentum relativiere die „überzogene Erwartungshaltung“, die die Gesundheitsreligion der westlichen Zivilisation präge. Die Religion lehre uns, dass Gesundheit doch letztlich ein „Geschenk“ ist, eine Gnade. Und die Wissenschaft lehre, dass Lachen gesunder sei als Joggen. Aber auch gläubige Menschen, so würden Untersuchungen belegen, lebten länger im Vergleich zu ungläubigen. Der Glaube mindere die Unruhe, die Sorgen und die Ängste auch da, wo die Medizin nicht mehr helfen kann. Die Versicherung ersetze das aber nicht, versicherte Motschmann den Gästen.