Tote bei Schießerei in italienischem Zug

Die „neuen“ Roten Brigaden erweisen sich als die altbekannten. Zusammenhang mit Morden an Arbeitsrechtlern

ROM taz ■ Zum ersten Mal seit Jahren ist es der italienischen Polizei gelungen, zweier Mitglieder der Roten Brigaden habhaft zu werden. Um einen hohen Preis allerdings: Ein Bahnpolizist und ein Rotbrigadist starben am Sonntag bei dem Schusswechsel zwischen Beamten und Terroristen im Interregio Rom–Florenz.

Begonnen hatten die dramatischen Ereignisse als pure Routine: Drei Bahnpolizisten waren auf halber Strecke in den Frühzug gestiegen, um Personenkontrollen durchzuführen. Das Terroristenpaar – später identifiziert als die 43-jährige Nadia Desdemona Lioce und der 37-jährige Mario Galesi – hatte offenbar gut gefälschte Ausweise präsentiert. Die Einsatzzentrale jedenfalls hatte die Beamten vor Ort wissen lassen, die durchgegebenen Namen seien sauber. Dennoch muss Galesi seine Entdeckung gefürchtet haben; er zog eine Pistole. Bei der folgenden Schießerei wurden ein Polizist tödlich, ein weiterer schwer verletzt, und auch Galesi erlag noch am Abend seinen Verletzungen. Lioce dagegen wurde verhaftet und erklärte sich, dem Brigate-Rosse-Ritus folgend, sofort zur politischen Gefangenen.

Dennoch spricht das Innenministerium von einem wichtigen Fahndungserfolg, denn der die „neuen“ Roten Brigaden umgebende, scheinbar undurchdringliche Schleier ist zerrissen. Nach den Morden an den beiden Arbeitsrechtlern Massimo D‘Antona (Mai 1999) und Marco Biagi (März 2002) – beide Professoren waren zugleich als Regierungsberater tätig – hatte die Polizei zunächst vollkommen im Dunkeln getappt. Angebliche Erfolge wie Verhaftungen erwiesen sich als falsche Spuren. Entsprechend rege kochte in der Linken die Gerüchteküche.

Stattdessen sind die neuen Brigate Rosse offenbar die alten. Galesi und Lioce standen seit Jahren mit den Resten der BR in Kontakt, die 1989 den „strategischen Rückzug“ verkündet hatten, deren letzten vier „Unbeugsamen“ im Knast dann aber 1999 und 2002 die Morde an D‘Antona und Biagi als Taten ihrer Organisation präsentiert haben. Gegen Galesi lagen zugleich harte Indizien im Mordfall D‘Antona vor: Unter anderem passte auf ihn ein Täter-Steckbrief. Als sie gestellt wurden, hatten Galesi und Lioce umfangreiches Material zur Arbeitsmarktreform dabei. Die Polizei hegt deshalb den Verdacht, dass eine in Arezzo – dem Zielort der Eisenbahnfahrt – wohnende Staatssekretärin aus dem Arbeitsministerium das Opfer des nächsten BR-Anschlags sein sollte, ganz in Kontinuität zu den Morden an D‘Antona und Biagi. MICHAEL BRAUN