die angst vor dem genetischem fingerabdruck
: „Wir brauchen eine Kontrolle“

Die Kriminologin Monika Frommel zur von der CDU/CSU geforderten Ausweitung der DNA-Analyse bei der Verfolgung von Straftätern. Die Regierung hat das abgelehnt.

taz: Frau Frommel, ist die Angst vor genetischen Fingerabdrücken begründet?

Monika Frommel: Ein DNA-Test ist zwar im Ergebnis ein Fingerabdruck, aber die Unsicherheitsfaktoren sind größer, weil das Material, das genetisch untersucht werden kann – etwa Haar- oder Hautpartikel, die an einem Tatort gefunden werden, ungezielt hinterlassen wird, sodass noch weniger als bei Fingerabdrücken verlässlich ein Tatverdacht konstruiert werden kann.

Aber persönliche Merkmale oder Krankheiten?

Technisch ist das möglich. Man kann mehr entschlüsseln, als für eine Täteridentifizierung nötig wäre. Aber das könnte man auch bei jeder Blutprobe. Beides ist gesetzlich verboten.

Wer garantiert, dass dagegen nicht verstoßen wird?

Das Interesse am klaren Rechtsbruch ist m. E. gering. Das Problem sind unklare Regelungen. Ich suche nach angemessenen Kriterien für legale Untersuchungen und legale Speicherungen. Denn jeder DNA-Test ist ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht, auch wenn er für die Aufklärung von Straftaten wichtig und sinnvoll ist. Deshalb brauchen wir eine Kontrolle darüber, wann solche Daten erhoben werden und – mit Einschränkung noch wichtiger – wann sie gespeichert werden.

Das heißt, es gibt keine?

Nur bei der Gefahr erheblicher Straftaten und bestimmten Anlasstaten darf Material beim Verdächtigen entnommen und untersucht werden. Das reicht vor allem deswegen nicht, weil das geltende Recht einen Automatismus vorsieht, fast alle zulässig erhobenen Informationen auch zu speichern. Diese Folge, und nicht die Untersuchung als solche – sie dient ja der Überführung eines Tatverdächtigen –, finde ich bedenklich. Die unkontrollierte Aufbewahrung und Speicherung kann zu Datenmüll und damit zu haltlosen Konstruktionen führen, etwa zum Herausfiltern von so genannten Mehrfach- und Intensivtätern.

Also: Einmal schuldig, immer verdächtig?

So einfach ist es nicht, da gespeicherte Daten nur dann verwendet werden können, wenn bei einer weiteren konkreten Tat wieder Spuren von der Person am Tatort auftauchen, die wegen eines früheren Verfahrens bereits gespeichert ist. Der Tatverdacht selbst kann also nicht über die DNA-Datei geschöpft werden. Aber Personen, die schon mehrfach straffällig waren, riskieren, gegebenenfalls zu Unrecht als Mehrfach- und Intensivtäter etikettiert zu werden.

Spiegelt das eine grundsätzliche gesellschaftliche Tendenz: Mehr Überwachung, weniger Kontrolle der Betroffenen?

Es gibt zwei Tendenzen: weniger körperliche Eingriffe und weniger Eingriffe in die Bewegungsfreiheit, dafür mehr in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Das ist aber eine notwendige Erscheinung in einer hochmodernen Gesellschaft. Dementsprechend müssen unsere Kontrollverfahren modernisiert und angepasst werden. INTERVIEW: SUSANNE LANG