berliner szenen DSL und Marihuana

Alte Freunde

Es war schon eine Weile her, dass wir uns zuletzt gesehen hatten. Das lag auch daran, dass M. inzwischen eine Arbeit hatte, die ihm sogar Spaß machte, und ich ein bisschen asozial geworden war. Die freundschaftliche Koordination zwischen freien Autoren und Festangestellten ist ja ohnehin nicht einfach. Freischaffende, Studenten und Arbeitslose passen dagegen sehr gut zusammen. Es hatte jedenfalls was zu Essen auf dem Balkon gegeben; ich hatte die Aussicht bewundert und im Hintergrund der Wohnung hatte ein Freund des Paares versucht, das neue DSL mit dem alten Computer zusammenzubringen.

Das funktionierte aber alles nicht. Teils lag das sicher auch an dem Reparateur, der sich vor kurzem das Nikotin abgewöhnt hatte, was aber nur dazu geführt hatte, dass er nun ständig Gras-Joints rauchte, teils lag es wohl auch daran, dass meine Freunde ihren Computer nicht ausstehen konnten. Für gewöhnlich verfiel M. oft schon in wütende Verzweiflungsausbrüche, wenn er versuchte, eine E-Mail zu schreiben. In meinem Anrufbeantworter stapeln sich großartige Nachrichten, die davon handeln, wie er also grad eben vergeblich versucht hätte, eine E-Mail zu schicken, und dass der „Internet-Faschismus“ daran schuld sei.

Dann war es schon fast Abend gewesen, wir waren vom Südstern her die Gneisenaustraße Richtung Yorckstraße gegangen. Das Pflaster hatte golden geleuchtet. Es hatte ausgesehen wie Italien. Da hätt’ man ja gleich nach Heidelberg ziehen können. Ich überlegte kurz, ob ich lieber gucken oder archivieren wollte, entschied mich fürs Fotografieren, rannte nach Hause; und als ich wieder zurück war, sah’s dann nicht mehr ganz so wunderschön aus, sondern doch wieder wie Berlin. DETLEF KUHLBRODT