Alphatier gegen Parteiapparat

Die US-Demokraten beginnen mit der Wahl des Herausforderers von Präsident George W. Bush

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

Am Montagabend beginnt mit der Vorwahl im US-Bundesstaat Iowa der wochenlange Abstimmungsprozess, in dem die Demokraten bis Juli über ihren Präsidentschaftskandidaten entscheiden. Endlich sprechen nicht mehr Analysten und Meinungsforscher, sondern die Wähler.

Denn bereits seit anderthalb Jahren befindet sich Amerika im Wahlkampf der Superlative. Es ist schon jetzt der teuerste, hitzigste und am stärksten polarisierte in der US-Geschichte. Dabei sind es noch zehn Monate bis zum Urnengang, der über das Schicksal von Amtsinhaber George W. Bush entscheidet.

Der sitzt momentan fest im Sattel. Er ist bei der Mehrheit der Amerikaner beliebt. Die Wirtschaft kommt in Schwung, Saddam Hussein ist hinter Gittern, neue Terroranschläge im Heimatterritorium blieben aus. Und seine Kriegslügen erscheinen vielen als Kavaliersdelikt. Bush verfügt über ein diszipliniertes, effizientes Wahlkampfteam, üppige 120 Millionen Dollar und keinen Gegenkandidaten in den eigenen Reihen. Gefährlich werden kann dem Texaner nur noch eine Gemengelage, in der sich die Situation im Irak dramatisch verschlechtert, die Arbeitslosigkeit hoch bleibt und Hillary Clinton doch noch in den Ring steigt.

Die populärste und professionellste Persönlichkeit der Demokraten hegt bislang jedoch keine Ambitionen. Wer kann also Bush Paroli bieten, fragt sich die zermürbte Opposition. Die Parteibasis glaubt, nur Howard Dean habe das Zeug dazu. Der Ex-Gouverneur von Vermont sei „ein ähnliches Alphatier“, meint Richard Goldstein im Magazin Nation. Das liberale Lager nimmt den anderen Mitbewerbern übel, dass sie beim Irakkrieg einknickten und nach dem 11. September nur „Bush light“ verkörperten.

Dean stieg dank einer beispiellosen Wahlkampagne vom Außenseiter zum Frontmann auf. Wie kein anderer verstand er das Internet für seine Politik zu nutzen, junge Leute anzusprechen und die Verachtung gegenüber den Neokonservativen zu bündeln. Keiner vor ihm sammelte so viel Geld von Kleinspendern und machte sich von einflussreichen Interessengruppen so unabhängig.

Doch der Parteiapparat fürchtet Dean. Der „angry man“, der nicht nur gegen Bush, sondern auch gegen das eigene Establishment zu Felde zieht, bedeute die sichere Niederlage. Statt zum Gegenspieler von Bush wurden die aussichtsreichsten Kontrahenten, die Senatoren John Kerry und John Edwards sowie Ex-Fraktionschef Dick Gephardt, zum Anti-Dean. Nun liefern sich Kandidaten zuweilen einen harten Schlagabtausch. Doch diesmal verhalten sich die etablierten Demokraten fast so, als ob sie eine Wiederwahl von Bush ausgerechnet gegenüber jenem Mann bevorzugen, der ihrer Partei nach der herben Niederlage bei den Zwischenwahlen 2002 wieder neues Leben einhauchte. „Die Leute, die heute Deans Wählbarkeit in Frage stellen, sind genau jene, die die Demokraten damals in die Irrelevanz trieben“, giftet die liberale Kolumnistin Arianne Huffington.

Sicher, Dean hat erkennbare Schwächen. Seine Zunge ist manchmal schneller als sein Geist. Er teilt hart aus, kann aber selbst schlecht einstecken. Oft spricht er einfach nur aus, was alle denken, sich aber niemand zu sagen traut. Richard Cohen von der Washington Post bezweifelt, ob dies unorthodoxe Auftreten hilft. „Die Wahrheit soll dich frei machen. In der Politik macht sie dich arbeitslos.“

So ist das Rennen völlig offen. Ex-General Wesley Clark, der den Segen des Schattenmannes Bill Clinton hat, konnte zuletzt kräftig zulegen, und Vietnam-Veteran Kerry punktete in Iowa. Wen die Demokraten auch immer nominieren, muss die Parteispitze mit der Basis versöhnen. Doch er hat den Vorteil, die Stammwählerschaft nicht mehr mobilisieren zu müssen. Die tiefe Abneigung gegen Bush hat sie zusammengeschweißt. Der Herausforderer kann sich ganz darauf konzentrieren, Wechselwähler und Unentschlossene zu überzeugen.