Türkische Turbulenz

Nach Absage an US-Truppen ist Türkei um Schadensbegrenzung bemüht. Börsenkurse und Währung fallen aber nicht so dramatisch wie befürchtet

ISTANBUL taz ■ Nach dem Nein des türkischen Parlaments zur Stationierung von US-Truppen für einen Irakkrieg sucht die Türkei nach Alternativen. Politisch wäre es nicht richtig, den am Samstag abgelehnten Regierungsantrag in unveränderter Form noch einmal der Nationalversammlung zu präsentieren, sagte Parlamentspräsident Bülent Arinc gestern. Die Istanbuler Börse reagierte mit einem Kurssturz auf das Votum des Parlaments, mit dem auch zugesagte Milliardenhilfen der USA für die krisenanfällige türkische Wirtschaft hinfällig geworden sind.

Um die Märkte zu beruhigen, war Ministerpräsident Gül gestern früh vor die Presse getreten und hatte angekündigt, dass der lange erwartete Haushaltsentwurf für 2003 noch am selben Tag dem Parlament zugeleitet wird. Die Beratungen, wie es nach der Ablehnung der US- Truppenstationierung weitergehen solle, dauerten noch an, sagte Gül. Nächste Woche will AKP-Parteichef Tayyip Erdogan sich in Siirt bei einer Nachwahl fürs Parlament zur Wahl stellen, um dann endlich selbst das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Vor dieser Wahl und bevor im UN-Sicherheitsrat nicht eine neue Irakresolution verabschiedet worden ist, wird die Regierung eine neue Parlamentsabstimmung kaum riskieren. Die US-Streitkräfte hoffen indes weiter auf eine Zustimmung der Türkei zur Truppenstationierung. Die Verlegung von US-Militärfahrzeugen aus dem Mittelmeerhafen Iskenderun wurde unterdessen gestoppt.

Der Istanbuler Aktienindex reagierte weniger dramatisch als befürchtet. Zu Börsenschluss hatte der Index 12,49 Prozent eingebüßt und schloss bei 10.128,88 Punkten – ein Kursausschlag, der nicht ungewöhnlich ist. Auch der Absturz der türkischen Lira gegenüber Dollar und Euro hielt sich in Grenzen. Der Dollarkurs stieg von 1,60 auf 1,65 Millionen Lira, weit weniger als der befürchtete Sprung auf zwei Millionen Lira.

Obwohl nun die bereits eingeplanten Milliarden Dollar aus Washington fehlen werden, soll der Haushalt sich innerhalb des vom Internationalen Währungsfonds vorgegebenen Rahmen bewegen. Die türkische Regierung ist verzweifelt bemüht zu zeigen, dass auch nach einer Ablehnung der US-Truppenstationierung kein Grund zur Panik besteht. Tatsächlich stagniert die türkische Wirtschaft seit dem Kollaps im Februar 2001. Ein erster Aufwärtstrend nach dem Wahlsieg der AKP im vorigen November ist durch den drohenden Krieg seit Anfang des Jahres wieder gestoppt. JÜRGEN GOTTSCHLICH