Kulturauftrag mit Elchgeweih

Einmal im Monat läuft im Offenen Kanal „Es-tut-uns-leid-tv“. Moderiert wird die Kultursendung von den beiden Krankenpflegern Thomas Zebrowski und Odin Knapp, die es schaffen, in obskurer Maskerade und mit ernstem Interesse Leute wie Günter Grass oder Hellmuth Karasek vor ihre Kamera zu holen

„Wir köcheln unseren eigenen visuellen Kulturbrei zusammen“

Es ist erstaunlich. Da reden Thomas Zebrowski (33) und Odin Knapp (31) mit bitterernster Miene und fast finsterem Blick davon, dass sie sich im Bürgerfernsehen ihren „eigenen visuellen Kulturbrei zusammen köcheln“. Dass sie sich gar hin und wieder um „Kopf und Kragen reden“ würden. Und zwar in obskurer Maskerade: Schürze, Sonnenbrille, Elchgeweih – wie es eben gerade passt.

Die momentane Ernsthaftigkeit der beiden Krankenpfleger wirkt verwunderlich. Ist‘s die Anspannung, sich ohne Kamera und Maske präsentieren zu müssen? Die Frage bleibt zunächst unbeantwortet. Leichtes, verständnisloses Schulterzucken und Irritation. So fährt man unverdrossen fort mit einem durchaus ernsthaften Interview. Dabei immer noch auf ein verschmitztes Augenzwinkern hoffend. Vergeblich. Die zwei Fernsehmacher des Offenen Kanals Bremen unterstreichen fortwährend: „Wir sind keine Ulknudeln.“ Nun denn.

„Es-tut-uns-leid-tv“ heißt ihre ungewöhnliche Kultursendung, die jeden ersten Dienstag im Monat um 19.45 Uhr eine Stunde lang im Bremer Offenen Kanal ausgestrahlt wird. Was tut den beiden leid? Odin: „Sehr einfach. Wir finden, dass sich die reichhaltige Bremer Kulturszene viel zu wenig und zu unpopulär in der Öffentlichkeit präsentiert.“ Thomas: „Daher verpacken wir Kultur witzig und verständlich.“ Das heißt: Mit Kamera und dem Anlass entsprechend herausgeputzt – für die Van-Gogh-Ausstellung etwa mit blutigem Kopfverband: „Sie wissen schon, wegen des Ohrs...“ – stolpern sie mitten hinein in kulturelle Events.

Es sei erstaunlich, wie ernst man sie nehme, kommentiert Thomas. Odin ist sich sicher, dass das an den Fragen liegt, die ihren Interviewpartnern gestellt werden. „Wir haben ja ein wirkliches Interesse an den Künstlern.“ Der Inhalt stehe im Vordergrund, der Humor sei sekundär. Dies spüren die Befragten auch schnell und lassen sich vom flippigen Auftreten des Moderatoren nicht ins Bockshorn jagen. Odin und Thomas schafften es, Prominente wie Günter Grass, Sir Peter Ustinov, Hellmuth Karasek, Petrus Wandrey („der dicke Freund Salvador Dalis“), Christoph Schlingensief oder Lilo Wanders in ihre Sendung zu holen.

Das zumindest launig verkleidete Duo steht also auf spaßigen Ernst. Nachdem das endlich kapiert wurde, darf nun auch mal gelacht werden. Kettenrauchend tauen Thomas und Odin auf, erinnern sich gegenseitig sich foppend an ihre Aufgeregtheit und Scham, in seltsamer Kostümierung an wichtige Kulturgrößen heranzutreten. Und Zufriedenheit macht sich breit, dieses irrwitzige Unterfangen schon seit einem dreiviertel Jahr in einem „qualitativ anständigen Rahmen durchzuziehen“.

Ehrgeiz fehlt den beiden keinesfalls. Ein nächstes Projekt liegt schon in den Geburtswehen. Ein Spielfilm von 120 Minuten. Thema: Kulturgüter des 21 Jahrhunderts werden auf wundersame Weise ins 16. Jahrhundert transportiert. Hier müssen sich dann zwei mittelalterliche Menschen (dargestellt von Odin und Thomas) beispielsweise mit der Dieter-Bohlen-Biographie herumschlagen oder mit einer Musikkassette von den Rolling Stones.

Was genau passiert, wissen die beiden noch nicht. Denn das kommt ganz auf die Gast-„Schauspieler“ an. Die da unter anderem wären: Der Intendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, Moks-Intendant Klaus Schumacher, der Leiter des Bremer Domchores, Wolfgang Helbich, Literaturkritiker Hellmuth Karasek oder TV-Sexikone Lilo Wanders. Die haben nämlich – so beteuern Odin und Thomas – zugesagt, sich an diesem drehbuchfreien Filmprojekt zu beteiligen.

Ein Choreograph des Hamburger Mozart-Musicals wurde sogar für Massenszenen angeworben. Natürlich alles für „lau“, es geht um die Idee. Um Geldverdienen dreht sich hier sowieso nichts – ihren Lebensunterhalt erarbeiten sich Odin und Thomas im Drei-Schicht-Dienst in einer Reha-Klinik. Daniela Barth

„Es-tut-uns-leid-tv“: jeden ersten Dienstag im Monat um 19.45 Uhr im Offenen Kanal. Kontakt: es-tut-uns-leid-tv@gmx.de