Null Punkte für Zuwanderer

Eine gezielte Steuerung der Einwanderung wird es auch künftig nicht geben. Die CDU lehnt ein Auswahlsystem nach Punkten kategorisch ab. Rot-Grün verhandelt weiter – und gibt damit das Kernstück des Zuwanderungsgesetzes preis

BERLIN taz ■ Der moderne und innovative Teil des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes ist seit gestern endgültig vom Tisch. Die Union erklärte im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat kategorisch, dass sie einem Kompromiss mit der Regierung nur dann zustimmen werde, wenn das geplante Punktesystem für neue Einwanderer „auf jeden Fall komplett gestrichen“ werde. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seine rot-grünen Mitstreiter erklärten sich trotzdem bereit, weiter mit der Union zu verhandeln.

Mit der Auswahlregelung nach einem Punktesystem fällt der einzige Gesetzesteil weg, der in der Zukunft eine gezielte Steuerung der Zuwanderung ermöglicht hätte. Die Koalition wollte dafür sorgen, dass Einwanderer künftig auch ohne einen sicheren Arbeitsplatz nach Deutschland kommen können, wenn sie sich nach bestimmten Kriterien wie Ausbildung und Sprachkenntnis qualifizieren.

Während Schily kurz nach der Sitzung sagte, es gebe noch keine Ergebnisse, die Beratungen hätten aber in einer „erfreulichen Atmosphäre“ stattgefunden, schimpfte Grünen-Verhandlungsführer Volker Beck: „Wer das Punktesystem aus dem Gesetz herausstreicht, schlägt damit einen Sargnagel auf die Modernisierung der Arbeitsmigration.“ Der mögliche Modernisierungsgehalt des Gesetzes sei damit „sehr reduziert“, sagte Beck der taz. Trotzdem sei es sinnvoll, weiter zu verhandeln, „weil man nie zu früh aufgeben soll“.

FDP-Verhandlungsführer Max Stadler sagte der taz, bei der Härtefallregelung für Flüchtlinge sowie dem Kindernachzugsalter habe es eine „deutliche Annäherung“ gegeben. Insgesamt habe die Union gestern aber „härter als bisher“ verhandelt. Dies führte er auf „deutliche Unterschiede in der Koalition“ zurück. Schily wolle das Gesetz unbedingt, sagte Stadler: „Die Grünen sind da skeptischer.“ Dass das Punktesystem gestrichen werde, bedauere er sehr. Der FDP-Politiker warf der Integrationsbeauftragten Marieluise Beck (Grüne) vor, sie habe vor kurzem signalisiert, dass eine weitere Migration in den Arbeitsmarkt nicht mehr unbedingt erforderlich sei. Damit habe sie der Union „eine Vorlage geliefert“.

Bei der Vorstellung ihres Migrationsberichts, den Marieluise Beck parallel zu den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz präsentierte, hob die Integrationsbeauftragte hervor, dass die Zahl der Zuwanderer in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei.

Die Arbeitsgruppe Zuwanderung des Vermittlungsausschusses einigte sich auf den 27. Februar als Termin für die nächste Verhandlung. LUKAS WALLRAFF

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